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Snowden – und kein Ende

Bild: Flickr, nolifebeforecoffee CC-BY-2.0

Ich bin kein Geheimdienstexperte; ich bin kein Sicherheitsexperte: Ich bin „nur“ ein Bürger, der – wie er von sich glaubt – ein gutes Grundwissen über nationale und internationale Politik hat und genug Geschichtskenntnisse, um auch aktuelle Entwicklungen in der Welt einschätzen zu können. Gerade deswegen machen mich die Enthüllungen und die Hinhaltetaktik der diversen Regierungen wütend. Grund genug, um dazu auch mal ein paar Gedanken in Worte zu fassen, die – da bin ich mir sicher – viele Menschen auf der Straße teilen.

Lassen wir einmal die viel beschworene Terrorbedrohung außer Acht. Selbst im Mutterland des Terrorirrsinns ist es achtmal wahrscheinlicher von einem SWAT-Kommando erschossen zu werden, als bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen. Mal abgesehen davon, ist die Terrorgefahr, so gnadenlos muss man es sagen, von den westlichen Industrienationen hausgemacht. Auch die sogenannte „schwere Kriminalität“ ist ein Witz. Denn erstens, was hat ein Nachrichtendienst mit polizeilichen Aufgaben zu tun und zweitens glaube ich kaum, dass Drogenhändlerringe ihre Deals per Twitter besprechen. Was bleibt also von all den „guten“ Gründen, dass es keinerlei Privatsphäre mehr gibt? Nichts! Was bleibt also dem Bürger auf der Straße, der ja keine Ahnung von der großen Politik hat? Sich selber einen Reim auf das Ganze zu machen.

Als vor einem Jahr Edward Snowden seine Bombe platzen ließ und die ersten Praktiken enthüllte, erleben wir etwas, was man sonst selten in der nationalen und internationalen Politik erlebt. Sowohl national als auch international ist es „guter Ton“, dass bei einem Fehler des einen Machtblockes, der andere Machtblock mit Genuss darauf herumreitet und Salz in die Wunden streut. Seltsamerweise erleben wir das momentan kaum und als politisch interessierter Mensch fragt man sich schon warum. Es ist seltsam still! Alle sind einmütig auf Tauchstation und verstreuen Nebelkerzen wie Konfetti. Klar, es gibt einige, die wirklich an der Aufdeckung und Aufklärung interessiert sind, aber das sind einzelne Rufer in einer Mauer aus Schweigen. Eine Situation, die man wirklich nur selten erlebt!

Entsprechend agierten auch die diversen Regierungen eher unbeholfen und tapsig. Man erinnere sich nur an Barack Obama, der sofort versicherte, dass US-Bürger natürlich nicht abgehört würden, um am selben Tag durch die eigene Presse zu erfahren, dass dem offenbar doch so ist. Eher in den Bereich der humoristischen Einlagen gehörte wohl die Aussage des ehemaligen Kanzleramtschefs Pofalla, der die Affäre für beendet erklärte. Allerdings hatte es schon einen sehr seltsamen Beigeschmack, dass einerseits diese Erklärung in der Hochphase des Bundestagswahlkampfes 2013 erfolgte und eben diese Affäre die schwarz-gelbe Regierung in Erklärungsnot brachte und prompt NACH der Bundestagswahl bekannt wurde, dass Frau Merkels Handy abgehört wurde und dies offensichtlich schon seit dem erklärten Ende bekannt war.

Nach einem Jahr der Enthüllungen hat aber plötzlich alles Sinn. Die penetranten Diskreditierungsversuche der USA gegenüber Edward Snowden. Wenn Edward Snowden nichts wusste, warum sandte man eines der berüchtigten Entführungs- und Folterflugzeuge der CIA hinter ihm her? Warum die ständigen Dementis der britischen Regierung und die Zerstörung von Festplatten beim Guardian, wenn doch angeblich nichts an den Enthüllungen dran wäre? Warum die Nebelkerzen der Bundesregierung, wenn doch dem deutschen Volk kein Schaden entstanden sei? Gerade die Enthüllung der letzten Woche, nämlich, dass eben doch der weltweit größte Internetknoten angezapft war, nämlich vom BND, lässt alles in einem vollkommen neuen Licht erscheinen.

Jetzt wird klar, warum diese seltsamen Fragen des Bundesinnenministeriums an DE-CIX (und nur an diesen) ging:

„Haben Sie Kenntnisse über eine Zusammenarbeit Ihres Unternehmens mit ausländischen, speziell US- oder britischen Nachrichtendiensten?“ und „Haben Sie Erkenntnisse über oder Hinweise auf eine Aktivität ausländischer Dienste in Ihren Netzen?“

Jetzt wird klar, dass DE-CIX diese Fragen mit einem ehrlichen „Nein“ beantworten konnte. Experten hatten sich schon von Anfang an gewundert, denn einerseits war der Zeitraum 2004–2007 doch seltsam willkürlich gewählt und andererseits war klar, dass zu diesem Zeitpunkt DE-CIX selber gar noch nicht zu den wirklich „Großen“ am Markt gehörte. Natürlich konnte die DE-CIX die Frage ehrlich beantworten und somit der parlamentarische Untersuchungsausschuss beruhigt werden: Es war nicht die NSA und auch nicht der GCHQ der die Kabel anzapfte, es war der BND.
Jetzt wird es auch klar, warum CDU, CSU, SPD, Grüne und (damals noch) FDP so einmütig waren, jeder Aufklärung einen Riegel vorzuschieben.

JEDER WAR INVOLVIERT UND JEDER WUSSTE BESCHEID.

Als einfacher Bürger muss ich mich wirklich fragen, wie soll ich einem Bundestag und einer Regierung noch trauen, die ohne mit der Wimper zu zucken, die Grundrechte von 80 Millionen Deutschen verhökert und sich nur wegen des Merkelhandys aufregt. Wie soll ich Vertrauen in eine Justiz haben, wenn der Bundesstaatsanwalt offensichtlich auf Druck aus Regierungskreisen die Snowden-Dokumente übersehen muss. Und am wichtigsten:

Wie soll ich noch Vertrauen in den Aufklärungswillen des politischen Berlins haben, wenn mit aller Macht versucht wird, Herrn Snowden an einer offiziellen testierten Aussage zu hindern!

Der Bürger auf der Straße mag geteilter Meinung darüber sein, wie wichtig nun seine Daten und Metadaten sind. Er mag sich mit dem dummen Satz beruhigen: Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten. Spätestens seit den neuesten Enthüllungen ist aber klar, dass das politische Berlin zu keinem Zeitpunkt im Sinne des deutschen Volkes gehandelt hat. Es ist klar, dass Ziele und Handeln der diversen Parteien auf einen radikalen Prüfstand müssen, denn spätesten jetzt wissen wir, „sie“ haben viel zu verbergen und noch mehr zu befürchten.

Symbolbild: WHAT ARE YOU LOOKING AT?CC-BY 2.0, nolifebeforecoffee

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Bernd Kasperidus geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

3 Kommentare zu “Snowden – und kein Ende

  1. Deutliche Worte + schön formuliert = Musste ich natürlich wieder einmal für unsere Website zugreifen! 😉

  2. Danke. Gute Zusammenfassung. Was jetzt?

    Und bitte einmal weiterdenken. Wer hierzu in der Lage ist wird auch anderes tun.

    Ukraine
    Iran
    Palästina
    Syrien

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