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Unerwünschter Beifang

Innovation geht baden.
Innovation geht baden.

In den letzten Monaten ist viel über Netzneutralität gesprochen worden. Dieser eher sperrige Begriff beschreibt, dass Daten unabhängig von Art und Inhalt durch die Leitungen fließen können. Das Netz ist also neutral gegenüber den transportierten Inhalten. Nun möchten Internetzugangsanbieter zum Zwecke des Geldverdienens diese Neutralität aufheben.

Insbesondere die Telekom hat angekündigt, auf die Bremse zu treten. Im mobilen Datenverkehr ist das zwar üblich, aber auch nervig, wenn das gekaufte Übertragungsvolumen verbraucht ist. Erst einmal erscheint dies aber zulässig.

Für Internetnutzer hat diese Drosselung zunächst scheinbar nur die Auswirkung, dass am Ende des schnellen Internets noch so viel Monat übrig ist. Außer für jene Dienste, die entweder von der Telekom selbst oder von ihren Partnerfirmen angeboten werden. Und genau in diesen Partnerangeboten liegt die Krux und die Innovationsfeindlichkeit von verminderten oder gesperrten Internetzugängen. Die Drosselung ist nebenbei nur eine Option, den Zugang zu eigentlich freien Inhalten einzuschränken und nur gegen Bezahlung zu erlauben. Für Anbieter von Inhalten und für die Nutzer wird es auf diese Weise langfristig teurer. Stellen Sie sich vor, Sie müssten bei ihrem Internetzugang ein „Musikpaket“ dazukaufen, um legale und an sich kostenfreie Online-Musikangebote anhören zu können. Die Kosten steigen, der Mehrwert bleibt allein bei den Providern.

Aber die drohenden Einschränkungen sind auch innovationsfeindlich. Die „Ideenmaschine Internet“ ist bedroht.

Im Internet ist heute der Vertrieb einer innovativen Idee oder eines Produkts einfach, weil man sein Produkt ohne Zwischenhändler direkt zum Konsumenten bekommt. Dies gilt natürlich nicht nur für Dinge zum Anfassen, sondern auch für Ideen, Musik und schriftstellerische oder journalistische Ambitionen. Der begeisterte Hobbykoch kann seine Rezepte mit Fotos online stellen und die Entwicklerin kann selbstgeschriebene Software zum Download anbieten. Parteien, Bürgerinitiativen und Hilfsorganisationen können über das Netz Interessierte informieren und sich selbst organisieren. Jeder kann über seine Lieblingsthemen bloggen und Inhalte anbieten. Und nur die Nutzer selbst sollten entscheiden, ob sie diese Inhalte konsumieren möchten oder nicht.

Wenn aber die Netzbetreiber (bestimmte) Daten nur noch gegen Gebühr durchleiten, haben all diese Personengruppen und auch Unternehmensgründer wieder deutlich höhere Hürden.

Ein Beispiel:

Früher bekam man im Musikbusiness nur eine Chance, wenn man den Plattenboss überzeugte. Heute kann man seine Musik selbst vermarkten. Allein die Hörer entscheiden. Damit hat auch Randgruppenmusik die Chance auf Fans, und die Musiklandschaft ist vielfältiger. Wenn die Netzbetreiber die Site der neu gegründeten Band nur gegen Gebühr mit der für Musikstreaming notwendigen Geschwindigkeit durchleiten, gibt es diese neuen Hürden. Die großen Plattenfirmen können Verträge mit den Netzbetreibern abschließen, damit ihre Musikseiten ohne Tempolimit erreichbar sind. Und einige Wenige entscheiden wieder über das, was den Musikfans gefallen soll.

Die Folge: Jungmusiker müssen sich wieder bei den Plattenbossen beliebt machen, um eine Chance zu bekommen. Die Auswahl, was die Musikfans zu hören bekommen, wird wieder in den Chefetagen der Musikindustrie getroffen. Alles beim Alten?

Man kann nicht mehr mit einfachen Mitteln innovative Ideen testen, wenn der Marktzugang künstlich eingeschränkt ist.

Ohne Netzneutralität hat das Internet bald den drögen Charme deutscher Fußgängerzonen mit der Monotonie der immer gleichen Handelsketten. Kleine originelle Geschäfte verschwinden und tauchen auch nicht wieder auf. Non-Profit-Angebote haben es extrem schwer, denn der Zugang zu kostenlosen Angeboten wird mühsam, da die Anbieter von Inhalten die Zahlungen an die Netzbetreiber natürlich gegenfinanzieren müssen.

Wir Piraten fordern eine gesetzliche Festschreibung des neutralen Charakters der Datendurchleitung im Internet ein (Prinzip der Netzneutralität), um Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit zu sichern und die Innovationsfähigkeit des Netzes zu erhalten.

Wir Piraten lehnen es ab, die Übertragung von Daten durch die Einführung von Güteklassen, Angebotseinschränkungen oder Zugangserschwernissen zu beschneiden.

Das Internet muss ein Ort der Innovation und Gleichberechtigung bleiben: Der Gesetzgeber muss ein klares Bekenntnis zur Neutralität des Netzes abgeben. Die Netzneutralität muss ins Grundgesetz.

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Nicole Britz geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

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