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Kameras, Überwachung – überall!?

Marce - CC-0
Marce - CC-0

In Würzburgs Innenstadt gibt es jede Menge Kameras. Allein bei der Straßenbahn sind es pro Station bis zu drei, auch viele der Busse sind mit Überwachungstechnik ausgestattet. Die Stadt Würzburg und die WVV haben leider auf die Anfragen noch nicht reagiert, wie viele Kameras sich insgesamt auf das Stadtgebiet verteilen. Vom Polizeipräsidium Unterfranken habe ich als Antwort erhalten, dass sie selbest keine Kameras in der Innenstadt instalilert haben. Aber »die WVV setzt Kameras an ihren Verkehrswegen ein, die Anzahl und exakten Standorte sind hier nicht bekannt. Desweiteren betreibt der Einzelhandel ganz allgemein seine Überwachung mittels Kameras, die in bald jedem Ladengeschäft zu sehen sind.«

Kameras verhindern keine Verbrechen. Sie sorgen nur dafür, dass sie an anderen Orten stattfinden. So wird das Verbrechen nicht im überwachten Bereich begangen, sondern eine Querstraße weiter. Durch Kameras wird die Stadt also nicht sicherer. Zudem haben in den letzten Jahren leider viele Vorfälle gezeigt, dass sich trotz nahezu lückenloser Kameraüberwachung immer wieder schwere Verbrechen ereignen. Man denke dabei nur an die diversen Überfälle in U-Bahn-Stationen, teilweise sogar mit Todesfolge.

Auch sind die Kameras so zahlreich, dass sie nicht in Echtzeit ausgewertet werden können. Ob der Flut der Daten sind die Polizeikräfte überfordert. Nur bei der Aufklärung von Verbrechen könnten Kameras helfen – sollte das Gesicht oder ein anderes Merkmal des Täters erkennbar sein. In vielen Fällen jedoch ist die Auflösung zu gering, um verwertbare Informationen zu erhalten.

Aber selbst diese Fälle sind selten: Wie man am Beispiel des versuchten Anschlags am Bonner Hauptbahnhof sieht, nützen Überwachungskameras oft nicht einmal mehr zur Aufklärung von Verbrechen, denn die Bilder der an Gleis 1 montierten Kameras wurden nicht gespeichert.

Die Aufklärungsquote von Straftaten wird durch Videoüberwachung kaum verbessert. Eine flächendeckende Videoüberwachung gibt also nur scheinbare Sicherheit.

INDECT – alle werden zu Verdächtigen

Im Rahmen eines Forschungsprogramms für zivile und militärische Sicherheit der EU arbeiten Sicherheitsfirmen mit einigen europäischen Universitäten (in Deutschland die Uni Wuppertal) an INDECT. INDECT soll Aufnahmen von unterschiedlichen Überwachungskameras zusammenführen und auswerten. Gesucht wird nach auffälligem Verhalten. Dazu gehört z.B.

  • rennen, kämpfen
  • auf dem Fußboden sitzen und zu langes Verweilen, z. B. auf Bänken
  • vergessen von Gepäck im öffentlichen Nahverkehr oder auf Flughäfen

Bei dem Projekt geht es darum, die verschiedenen Quellen zusammenzuführen und eine lückenlose Verfolgung einer Person über Kameras zu ermöglichen. Auch eine Verfolgung mit Drohnen und die Möglichkeit, mithilfe von Gesichtserkennungssoftware Bewegungsmuster zu erstellen, werden erforscht.

Eine Frage der Definition

Welches Verhalten „verdächtig“ ist, kann jederzeit neu definiert werden. Bei uns in Deutschland ist das Verfahren deshalb so nicht einsetzbar, denn INDECT hebelt die Unschuldsvermutung aus. Auch datenschutzrechtlich ist INDECT nicht mit den deutschen Gesetzen vereinbar.

Mit dem durch Staatsgelder finanzierten Projekt entwickeln europäische Unternehmen ihre Überwachungs- und Sicherheitstechnik weiter. Selbst wenn uns in Deutschland keine Gefahr durch INDECT droht, wird diese Technik sicher in anderen Ländern vermarktet.

Speziell gegen INDECT gibt es die Webseite stopp-indect mit weiterführenden Informationen.

Vorratsdatenspeicherung

Und ewig grüßt das Murmeltier. Von 2008 bis 2010 hatten wir in Deutschland ein Gesetz zur anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten. 2010 wurde eben dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht gekippt, da es unter anderem keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit vorsah. Doch regelmäßig wünschen sich Politiker die VDS zurück – aus zweifelhafem Anlass. So zum Beispiel nach einem Attentat in Toulouse, nach dem behauptet worden war, durch die Vorratsdatenspeicherung habe der Fall aufgeklärt werden können. Tatsache ist jedoch, dass den Täter ein Motorradhändler identifiziert hatte, dessen Stammkunde er gewesen war.

Seit Ende des letzten Jahres steht im EU-Parlament eine Abstimmung an, in der es um die anlasslose Erfassung aller Fluggastdaten geht. Einige Forderungen gehen sogar soweit, auch eine Datenerfassung des Landverkehrs, also z.B. bei Zugfahrten vorzunehmen. Diese Gesetze wären ebenfalls unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre.

Am 23.02.2013 findet ein weltweiter Aktionstag gegen Überwachung und Zensur statt, auch in deiner Stadt?

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Michaela Keupp geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

4 Kommentare zu “Kameras, Überwachung – überall!?

  1. Warum unternimmt die Piratenpartei nicht mehr gegen die Überwachungsmafia? Die zwei Seiten einer Medallie: Der Kampf für den gläsernen Staat, dafür kennt man die Piraten, aber der Kampf gegen den gläsernder Bürger, den haben die Piraten aufgegeben. Warum? Wählerstimmen über 10 % lassen sich nur mit beiden Seiten der Medaille gewinnen. Ich will also Wahlplakate auf denen steht:
    – CSU- Näher am Menschen (Bild einer Videoüberwachungskamera)
    – Keine Vorfahrt für Überwachungskameras (Bild eines WVV-Busses an der Kreuzung, der einem Radfahrer die Vorfahrt nimmt)
    – Wer überwacht wird bestraft (Bild einer Videoüberwachungskamera)
    – Bitte nicht lächeln- Gesichtserkennung
    – Deutsche Bahn Mafia: Zu Ihrer Sicherheit vor der Deutschen Bahn Mafia wird dieser Bahnhof nicht videoüberwacht.
    – Videoüberwachung macht aggressiv
    – Piratenpartei wählen schützen vor Videoüberwachung
    – Wegen „Terrorgefahr“ Wahlkabinen nur noch mit Videoüberwachung???
    – Einkaufen nur da, wo nicht überwacht wird
    – Nur Deppen lassen sich überwachen
    – Überwachung macht depressiv
    usw.

    Bitte macht was draus, weil so geht das nicht weiter mit der Überwachung. Es wird immer schlimmer. Die Piratenpartei ist die einzige Partei außer den Linken, die gegen die Überwachung in den Bussen ,U.Bahnen, S-Bahnen, Trambahnen in München gestimmt hat.

    • Hallo Flo!
      Die Piraten sind klar gegen jegliche Überwachung des Bürgers, gegen Vorratsdatenspeicherung etc! So waren auch in allen Bundesländern Piraten am Privacy Day diesen Samstag auf der Straße, und haben Bürger übera aktuelle Entwicklungen aufgeklärt und informiert.
      Wichtig ist der Datenschutz und die Privatsphäre eines jeden, natürlich! Wie sonst soll Demokratie möglich sein, wenn eine angstlose Abgabe von Stimmen oder die Sammlung von Informationen nicht möglich ist?
      Grüße
      Michaela Keupp

  2. Die bayerische Polizei ist überlastet. Terrorismus und organisierte Kriminalität sind einfach zuviel für ein System, das durch zahlreiche Polizeistruktur-Probleme und den allgemeinen Sparzwang schon längst nicht mehr einwandfrei funktioniert.
    Es gibt noch motivierte und zuverlässige Polizist(inn)en, aber die Mehrheit ist frustriert und/oder unzuverlässig. Nicht nur wegen Probleme innerhalb der Polizei, sondern auch wegen der veralteten Justizsysteme.
    Gleichzeitig nimmt die Kriminalität zu. Natürlich nicht laut Innenministerium. Laut denen würden mehr Verbrechen gemeldet weil die Bevölkerung sensibler würde. Bullshit! Es werden weniger gemeldet! Man überlegt sich zweimal ob man den Notruf wählt wenn man mal böse von den Ordnungshütern hängengelassen wurde. Es finden einfach mehr Verbrechen statt, die immer seltener gemeldet werden!
    Ich hätte gerne eine Waffe und das Recht selbst für Ordnung in meiner Stadt zu sorgen.
    Dann müsste ich, sollte ich noch einmal das Pech haben ein schweres Gewaltverbrechen mitzubekommen, nicht mit dem unmotivierten Polizist der erst nach mehreren Minuten meinen Notruf entgegennimmt diskutieren ob er eine Streife vorbeischickt oder nicht. Dann wäre mein Leben vielleicht nicht mehr so sicher, aber ich hätte auch kein schlechtes Gewissen mehr weil ich nichts für das Opfer tun konnte und das was ich tun konnte (Polizei verständigen) nichts gebracht hat.
    Anstatt die längst überfälligen Reformen im Polizeisystem vorzunehmen, damit der Polizist mehr zu dem wird (oder teilweise überhaupt erst mal wird) was er eigentlich schon immer sein sollte, anstatt ein System das durch Personalmangel und schlechte Arbeitsbedingungen glänzt mal genau unter die Lupe zu nehmen, kann man sich auch in Strategien flüchten die weniger Arbeit machen und weniger Anstrengungen erfordern.
    z.B. Kameras aufhängen.
    Und wenn die Kameras die Kriminalität nur verdrängen und nicht verhindern, dann muss man halt ÜBERALL Kameras aufhängen, logisch.
    Zumindest bis endlich Gehirnimplantate erstellt werden können die die Menschen daran hindern Verbrechen zu begehen. Das wird kommen! Bevor unser Polizeisystem reformiert wird werden wir alle nen Chip im Hirn tragen! Nicht weil das eine so wahrscheinlich ist, sondern weil das andere so unwahrscheinlich ist!

  3. Heirate mich, Michaela! Du sprichst mir aus der Seele! Endlich mal eine Frau, die das auch so sieht. Die meisten anderen Frauen sind für das Thema leider nicht sensibilisiert, außer ein Typ läuft ständig hinter ihnen her und filmt ihre Füße oder ihren Hintern oder so was, dann rufen sie natürlich sofort die Bolizei. Aber daß die Überwachungskameras genauso sind und daß da Männer dransitzen und sich das anschauen (ALDI ist nur ein Beispiel) deshalb verboten gehören, merken die wenigsten. Ich hoffe, das ändert sich rasch. Bei der nächsten Landtagswahl wünsche ich dir 10 Prozent plus x und daß diese Überwachungsdeppen der sog. Volksparteien schnell abgewählt werden.

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