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Schonhaltung statt Wandel – die Kirche und die „Pille danach“

Goldes Kreuz einer Kirchturmspitze (Nicole Britz - CC-BY )
Goldes Kreuz einer Kirchturmspitze (Nicole Britz - CC-BY )Nicole Britz - CC-BY

Über die Piratenpartei wird gelacht, wenn auf einem Bundesparteitag ein Antrag zu Zeitreisen gestellt wird. Auf der anderen Seite finden es viele Menschen vollkommen normal, wenn eine Gruppe von Personen, die moralisch noch vergangenen Jahrhunderten verhaftet ist, in Deutschland Politik macht. Diese Gruppe von Personen ist die katholische Kirche.

Nachdem Kardinal Meisner dieser Tage verlauten ließ, dass die „Pille danach“ jetzt unter Umständen akzeptabel sei, entstand kurzfristig der Eindruck, die katholische Kirche bewege sich plötzlich und unerwartet in ihrer Einstellung zur Schwangerschaftsverhütung. Wir sollten hier keinem Trugschluss erliegen. Die Formulierung, wann und unter welchem Umständen eine Notfallverhütung zulässig sei, war reichlich schwammig und zeigt bei genauerer Betrachtung, dass hier doch kein Umdenken erfolgt ist. Die Zulässigkeit der Einnahme wird nämlich von bestimmten chemisch-pharmakologischen Wirkmechanismen abhängig gemacht.

Auslöser der zugrundeliegenden Debatte ist der Fall einer mutmaßlich vergewaltigten Frau, die in zwei katholisch geführten Kölner Kliniken nicht behandelt wurde, weil die katholische Kirche moralische Verwicklungen hinsichtlich der „Pille danach“ fürchtete. Dass ihr die „Pille danach“ schon von der Notärztin verschrieben worden war, interessierte niemanden.

Das Opfer sollte lediglich noch gynäkologisch untersucht werden, um Spuren zu sichern.

Dieser Vorfall verursachte nicht nur bundesweit Empörung, sondern ließ auch die Frage aufkommen, ob soviel Bigotterie in der heutigen Zeit überhaupt sein darf. Mit der Botschaft von Jesus über die Nächstenliebe und dessen durchaus vorbildhaftem Umgang mit seinerzeit wenig angesehenen Teilen der Gesellschaft hat diese Abstrafungspolitik im Grunde nichts mehr zu tun. Die „frohe Botschaft“ wird heute von Heuchlern verkündet.

Ist schon jemandem aufgefallen, dass es diesen Lebensschützern primär nur darum geht, jedes Kind auf die Welt zu bringen? Kümmert es diese Menschen auch, diese Kinder zu ernähren, zu kleiden, zu bilden, ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben und vor Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch zu schützen? Davon hört man aus irgendeinem Grund nichts. Hauptsache geboren. Eigentlich sind diese Leute Geburtsschützer.

Das war schon immer so. Sobald das Kind auf der Welt ist, ist es nicht mehr interessant. Warum eigentlich?

Es kann auch nicht sein, dass für kirchlich geführte, aber zu 100 Prozent vom Steuerzahler finanzierte Institutionen ein spezielles Arbeitsrecht gilt, welches nicht den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen der Bundesrepublik unterworfen ist, sondern sich nach dem besonderen Wertesystem der jeweiligen Kirche richtet.

Arbeitet denn eine Person besser, nur weil sie der katholischen Kirche angehört?

Kann eine homosexuelle Person nicht genau so gut alte Menschen pflegen?

Oder ist etwa eine neue Partnerschaft nach einer Scheidung ein Mangel an fachlicher Qualifikation?

Hinzu kommen Fragen wirtschaftlicher Natur:

Warum rechnet es sich für Gemeinden, einen kirchlichen Träger zu beauftragen, statt eine Einrichtung selbst zu verwalten?

Wie kann es sein, dass kirchliche Projekte finanziell besser gefördert werden als kommunale?

Wie kann es sein, dass die beiden großen christlichen Kirchen jährlich ca. 10 Milliarden Euro Kirchensteuer über die staatlichen Finanzämter einziehen lassen und der Staat zusätzlich auch noch über 150 Millionen Euro an Bischofsgehältern zahlt? Warum rüttelt niemand an diesen Zahlungen, deren Ursprung in die Zeit der Säkularisierung zurückgeht, welche nun schon 200 Jahre her ist? Es wäre inzwischen an der Zeit, die Trennung von Kirche und Staat endlich konsequent zu vollziehen.

Länder wie Frankreich, Tschechien, Portugal und ja, sogar die Türkei sind laizistische Staaten. Geht deswegen in diesen Ländern die Welt unter?

Die katholische Kirche ist inzwischen nur noch ein großer Konzern, welcher wie alle anderen nur noch auf Profit aus ist und dem die Werte des Glaubens nur noch als Transportmedium für finanzielle Interessen dienen.

Es geht nicht darum, jemandem vorzuschreiben, was der rechte Glaube ist. Im Gegenteil: Es geht darum, dass in einer Gesellschaft mit so vielen unterschiedlichen Lebensentwürfen Menschen nur auf Grund ihrer Konfession diskriminiert werden!

Für mich ergibt sich aus der vorgeblichen Abkehr von den ehernen Prinzipien eher der Eindruck, als ob hier über kleine Zugeständnisse verhindert werden soll, daß die Gesellschaft eine ernsthafte Debatte darüber beginnt, ob derartige Sonderrechte überhaupt noch zeitgemäß sind. Denn am Ende einer solchen Debatte könnten sich womöglich nicht einmal mehr die Parteien gegen den Wandel sperren, die sich heute noch als Bewahrer christlicher Werte in der Politik sehen. Ich meine, die Gesellschaft muss sich diesen Veränderungen endlich stellen.

Foto: Nicole BritzCC-BY

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Nicole Britz geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

2 Kommentare zu “Schonhaltung statt Wandel – die Kirche und die „Pille danach“

  1. IPKlaus

    Die Fragen sind wichtig und legitim. Leider werden die Piraten daran nichts ändern können denn dazu müssten ja A L L E Piraten diese Meinung vertreten.
    Wegen Ermangelung an Entscheidungskompetens ist dieser Artikel wieder nur das übliche Gezeter ohne Konsequenzen. Das gibt es schon seit mehrern hundert Jahren und geändert hat sich nichts.
    Eigentlich schade, dass die Piraten aus solchen Zuständen kein Kapital schlagen können oder wollebn.

  2. Ich nehme vollumfänglich an, dass die Verfasserin aus den neuen Bundesländern stammt. Des Weiteren sollte man(n) nicht über Gelder reden, sondern um die Menschen. Eine Abschaffung der Kirche gleich einem atomaren Vielvölkerkrieg. Unsichtig provokant und zutiefst ohne grundsätzliche Verständis der anderen Seite des Blickwinkels erscheint mir dieses Statement als unzulänglich und weitaus zu dilletant.

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