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Gebt die Stürme frei!

Tornado (CC BY-SA 3.0, Justin1569)
Tornado (CC BY-SA 3.0, Justin1569)

Auch wenn in diesem Jahr nicht nur Hitze, sondern auch Gewitter noch Mangelware sind, wird es in den nächsten Monaten wieder überall in Deutschland zu brenzligen Situationen durch Unwettern kommen. Hierzu zählen erhebliche Sachschäden, aber auch Verletzte und Tote, wenn z.B. Open-Air-Veranstaltungen von einem Unwetter überrascht werden. Nicht immer können in solchen Fällen die Wetterdienste rechtzeitig vorwarnen oder die Warnungen werden nicht mehr ernstgenommen, weil vorhergesagte Unwetter nicht immer eingetreten sind.

Ungleich dramatischer ist die Situation in den USA. Hier starben vor kurzem bei einem verheerenden Tornado in Moore (Oklahoma) 24 Menschen. Aber auch in Deutschland sind Tornados häufiger als man denkt. Im Moment sind 30 bis 60 Ereignisse pro Jahr gesichert bekannt. Hinzu kommt eine hohe „Dunkelziffer“, da Tornados ein sehr lokales Ereignis sind, oft nur wenige Sekunden oder Minuten dauern und es keine direkten Beobachter gibt. Die allerwenigsten Tornados in Deutschland erreichen dabei eine Stärke von 4 oder 5 auf der Skala, die im Mittleren Westen der USA regelmäßig auftritt. Aber auch ein schwacher bis mittelstarker Tornado kann mit Windgeschwindigkeiten von 200 km/h schon verheerende Schäden anrichten, wenn er am „falschen“ Ort auftritt oder auf eine unvorbereitete Menschenmenge trifft. Alle paar Jahre treten auch in Deutschland Tornados auf, die stark genug sind, um gemauerte Gebäude zum Einsturz zu bringen und Autos durch die Luft zu schleudern!

Die sehr gut ausgebaute Warninfrastruktur in den USA stützt sich nicht zuletzt auch auf eine Vielzahl ehrenamtlicher Hobby-Meteorologen, die Wettererscheinungen an ihrem Ort melden oder gar als „Storm Chaser“ besonders interessanten Unwettern hinterherfahren, um sie genau zu beobachten. Durch diese Mitarbeit der Community hat der staatliche Wetterdienst viele zusätzliche Augen am Boden, die die durch Radar, Satelliten usw. gewonnenen Messdaten mit direkten Beobachtungen ergänzen. Damit kann der Wetterdienst bei Gefahrenlagen blitzschnell und punktgenau reagieren – beim jüngsten Ereignis in Oklahoma bestand eine Vorwarnzeit von 16 Minuten. Die Anzahl der Toten bei dieser Tragödie ist also eher auf die leichte Bauweise vieler Häuser und den Mangel an Schutzräumen zurückzuführen als auf ungenügende Warnungen im Vorfeld.

Es gibt auch in Deutschland eine Stormchaser-Szene mit wetterbegeisterten Menschen, die mit ihren Beobachtungen zur Verbesserung lokaler Unwetterwarnungen beitragen könnten. Diese Menschen brauchen jedoch präzise Daten – hochauflösende Prognosekarten, Diagramme, Satellitenbilder und vieles mehr – um die Wettersituation richtig einschätzen zu können. Diese Daten werden in den Wetterstationen und Großrechnern des Deutschen Wetterdienstes mit Steuergeldern erzeugt, aber zu großen Teilen der Öffentlichkeit vorenthalten. Manche Daten werden auch nur nachträglich, gegen Entgelt oder nur an andere Behörden herausgegeben. So sind z.B. nur die Diagramme des DWD-Klimaatlas öffentlich verfügbar, aber nicht die Rohdaten.

Andere Staaten sind mit ihren Wetterdaten wesentlich offener. In Norwegen betreibt das Meteorologische Institut Oslo zusammen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Open-Data-Portal yr.no, das sich großer Nachfrage erfreut. Und auch in den USA ist die Stormchaser-Szene nicht denkbar ohne die Daten, die der US-Wetterdienst NOAA der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. In den USA erstellt der staatliche Wetterdienst selbst kaum Wetterprognosen für Endkunden, sondern ist in erster Linie für die Gewinnung der Rohdaten zuständig, die dann von Firmen und Medien gegen Bezahlung aufbereitet werden können. Open Data macht den Markt rund um das Wetter also nicht kaputt.

Die Piratenpartei Deutschland fordert in ihrem Bundestagswahlprogramm:

Daten bilden die Grundlage politischer Diskussion. Ihre Gewinnung wird oft durch Steuergelder finanziert, wie z.B. bei Verkehrs- und Umweltdaten und den öffentlichen Haushalten.

Diese Daten gehören den Bürgerinnen und Bürgern. Ihre zeitnahe, umfassende und niederschwellige Veröffentlichung ist die Grundlage dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger sich im Bedarfsfall in die politische Diskussion einmischen können.

Diese Veröffentlichung soll gemeinfrei in einem bundesweit einheitlichen Datenportal erfolgen. Von Antragsverfahren, einschränkenden Lizenzmodellen und Gebühren ist dabei generell abzusehen. Die Weiterverbreitung und auch die kommerzielle Nutzung sollen ausdrücklich gestattet werden. Neben für die Lektüre aufbereiteten Formaten sollen die Daten auch in freien maschinenlesbaren Formaten angeboten werden, die sich für die maschinelle Weiterverarbeitung und Aufbereitung eignen.

Das gilt auch für die erwähnten Wetterdaten. Ihr Freigabe könnte dazu beitragen, die Unwetterprgnosen auch in Deutschland weiter zu verbessern.

Foto: Justin1569CC-BY-SA

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Niklas Deutschmann geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

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