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Verwandtschaftsaffäre: Anstand und Transparenz statt Symbolpolitik

Foto: Schild auf dem Steht "Vorsicht GEfahr, Tiefer Schlamm" (Nicole Britz, CC-BY)
Foto: Schild auf dem Steht "Vorsicht GEfahr, Tiefer Schlamm" (Nicole Britz, CC-BY)

Lange habe ich bei der Verwandtschaftsaffäre zugesehen und nichts geschrieben. Ich sah mich dazu auch kaum veranlasst, hat die SZ nun doch wirklich alles gesagt. Letzten Donnerstag hat der Landtag nun das Anstellen von Verwandten gänzlich verboten.

Allerdings nicht nur das Anstellen von Ehefrauen oder Geschwistern, sondern das Anstellen aller eigener Verwandter bis zum vierten Grad. Dazu kommt das Verbot des Anstelles aller Verwandter anderer Abgeordneter bis zum dritten Grad. Ich halte diese Regelung für problematisch und nicht zielführend.

Eigentlich soll diese Regelung verhindern, dass Abgeordnete Personen einstellen, bei denen die Objektivität in Frage steht. Sinnvoll. Da die CSU aber gerade einen öffentlichen Skandal produziert hat, weil die Anstellungspraxis einiger Abgeordneter ohne jede Moral war, will man mit einer knallharten Regelung zeigen, dass man jetzt gegensteuert.

Das nennt man dann Symbolpolitik. Warum? Nun, ich bekomme es vielleicht hin, alle meine Verwandten dritten Grades aufzuzählen, aber bei denen vierten Grades bekomme ich das definitiv nicht hin. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, denen ich weit näher stehe als meinen Verwandten. Die Regelung geht am Kern des Problems vorbei. Es geht nicht darum, ob derjenige, der angestellt wird, blutsverwandt ist, sondern ob die Anstellung aufgrund der persönlichen Nähe zu einem Abgeordneten geschieht.

Die neue gesetzliche Regelung nimmt Verwandte bis zum dritten Grad in politische Sippenhaft. Sie dürfen nicht mal mehr bei der politischen Konkurrenz, die ihnen persönlich vielleicht sogar näher steht, arbeiten. Und das alles, während Geliebte, Lebensabschnittsgefährten und beste Freunde der Abgeordneten außen vor bleiben. Ich bin mir sicher, dass zu diesen die meisten ein engeres persönliches Verhältnis pflegen als zur eigenen Cousine.

Die getroffene Regelung zeigt aber nicht nur, dass man lieber auf die Schnelle einen Symbolbeschluss haben wollte, sondern auch, wie veraltet das Familienbild der Parteien im Landtag eigentlich ist. Ich habe einige Menschen, die ich als Familie bezeichnen würde, und nur mit der Hälfte bin ich blutsverwandt. Es ist eine Frage der eigenen Moral, diese Personen nicht einzustellen.

Und genau diese Moral findet sich nicht in dem Beschluss, noch wird sie sich jemals durchsetzen, solange man solche Symbolbeschlüsse fällt. Sinnvoller wäre es, die Abgeordneten dazu zu verpflichten, anzugeben, in welchem persönlichen Verhältnis sie zu ihren Angestellten stehen oder ob und welche wirtschaftlichen Vorteile sie von einer Anstellung haben. Was bringt es uns, dass ein CSU-Abgeordneter nicht die sehr qualifizierte Tante eines Grünen-Abgeordneten einstellen darf, aber die vielleicht unqualifizierte Tochter des lokalen Medienbetreibers, weil er sich dadurch eine bessere Berichterstattung erhofft?

Das Problem lässt sich natürlich nur schwer gesetzlich lösen, das weiß ich auch. Aber es lässt sich durch eine andere politische Kultur durchaus verringern. Genau das dürfte am Ende auch der Unterschied zwischen den Piraten und den anderen Parteien sein. Denn ja, auch bei den Piraten sind solche Dinge vorgefallen und sie werden auch in Zukunft wieder vorkommen. Der Unterschied liegt in der politischen Kultur, die sich die Piraten dringend erhalten sollten: Bei uns dauert es nicht Jahre, sondern nur Wochen, bis so etwas bekannt wird. Sei es durch einen Whistleblower oder durch die Betroffenen selbst.

Die Piraten leben eine Kultur der Transparenz, wodurch sichtbar wird, dass wir auch nur Menschen mit Fehlern sind. Natürlich steigt der moralische Druck auf den Einzelnen, aber es etabliert sich auch eine anständige Kultur beim Umgang mit den Fehlern Einzelner. Ein Freund sagte mir vor Kurzem, als ich ihn nach einer Unterstützerunterschrift für die Landtagswahl fragte: „Bei euch weiß ich wenigstens, welchen Mist ihr wirklich verzapft. Bei den anderen kann ich es nur erahnen. Was ich weiß, kann ich verzeihen, was ich erahne nicht.“ So unrecht hat er damit nicht.

Denn am Ende ist eines klar: Gesetze verhindern keine Skandale. Transparenz auch nicht. Doch Transparenz schränkt die Ausmaße, die die Skandale annehmen können, ein.

Foto: Nicole BritzCC-BY

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Benjamin Stöcker geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

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