Yet another Kampagnenseite! Die VG Wort hat mit der Aktion »Wir geben 8« eine Webseite geschaltet, in der sie acht Positionen zum Urheberrecht vorstellt. Wie so üblich, sind die meisten Thesen ziemlich reaktionär. Ich will die Gelegenheit nutzen, zu jeder These eine Antithese zu formulieren.
1. Mein Werk gehört mir
1. Kultur gehört allen
Die These ist im wesentlichen eine Kampfansage an die Remix-Kultur. Der Urheber soll alleine entscheiden können, ob jemand ein abgeleitetes Werk erstellen darf. Das Bild dahinter zementiert die Idee, dass der Urheber in seinem stillen Kämmerlin ganz allein aus sich heraus ein Werk erschafft. Die Wahrheit ist: Alles Schaffen ist eine Form des Remixens. Die neue Technik und das Netz haben es nur jedem ermöglicht, auf einfachste Weise kleine Remixes und Mashups zu erstellen. Und das ist eine gute Entwicklung, der im Urheberrecht endlich Rechnung getragen werden muss. Vielleicht findet ein Poet keinen Gefallen an einer Hip-Hop-Version seines Gedichtes. Aber solange es Menschen gibt, die das tun, solange muss ein solcher Remix möglich sein.
2. Digitale Privatkopien sind erlaubt, aber zu bezahlen
2. Das Konzept der Privatkopie muss überdacht werden
Dieser Absatz, der im wesentlichen eine dreimalige Wiederholung der selben zwei Aussagen darstellt, ist nicht so einfach zu verstehen. Setzt sich die VG Wort hier für eine Kulturflatrate ein? Ausgehend von These 8 würde ich dem widersprechen. Die VG Wort will das, was auch schon im Gesetz steht. Mit Privatkopie ist kein Filesharing gemeint, sondern nur Kopien bei mir daheim im stillen Kämmerlein, also wenn ich z.B. eine gekaufte CD am PC rippe und die MP3s dann auf mein Handy ziehe. Das finden die ok, aber dafür wollen die Kohle.
Diese Idee, dass jede Vervielfältigung daheim am Rechner vergütet werden muss, ist jetzt schon absurd. Der Ansatz stammt aus einer Zeit, als man sich eine Schallplatte kaufte und ins Regal stellte. Heute ist andauernde Vervielfältigung der Standard-Fall und sollte mit dem Kaufpreis abgegolten sein.
Dennoch begrüße ich das Bekenntnis der VG Wort zu Privatkopien. Zum einen darf man dies wohl als Statement gegen DRM und Kopierschutz sehen, die das ordnungsgemäß per Geräteabgabe abgezahlte Recht auf Privatkopie unterlaufen. Wenn wir uns schon mal darauf einigen könnten, solche Praktiken zu ächten, wären wir einen großen Schritt weiter.
Außerdem schließt die Privatkopie ja auch die Weitergabe an private Freunde mit ein und ist ebenfalls durch die Abgabe abgegolten. Selbst Meatspace-Filesharing zwischen engen Freunden kann in Zeiten von USB-Festplatten im Terabyte-Bereich guten Durchsatz produzieren. Vielleicht lassen sich VG Wort und Konsorten dann auch darauf ein, die Idee der Pauschalabgabe weiter zu spinnen und eine Kutlurflatrate einzuführen. Ich bin zwar kein Freund dieser Idee, aber wenn die Diskussion »Kulturflatrate oder nicht« statt »Filesharing oder nicht« heißt, sind wir nochmal einen erheblichen Schritt weiter.
3. Hände weg von Schutzfristen
3. Schutzfristen sind nicht in Stein gemeißelt
Aber auch das geistige Eigentum[sic!] […] kann nicht – wie teilweise gefordert – beliebig verkürzt werden.
Schutzfristen sind für viele Urheberrechts-Lobbyisten quasi sakrosankt. Wenn es nach denen geht, schreibt das Grundgesetz die derzeitgen Schutzfristen von Lebenszeit des Urhebers plus 70 Jahre quasi direkt vor. Was dabei immer vollständig außer acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass die Schutzfristen anscheinend beliebig verlängert werden können.
Historisch begann das Urheberrecht in den USA – einem Land, welches das Urheberrecht selbst in der Verfassung stehen hat und sich nicht Konstrukten wie »geistigem Eigentum«(sic!) bedienen muss – mit einer Laufzeit von 28 Jahren nach Veröffentlichung. Die Laufzeitverlängerungen des Urheberrechts und seiner artverwandten Schutzrechte in der jüngeren und älteren Geschichte waren alles samt politische Entscheidungen. Somit wäre eine Verkürzung ebenfalls eine politische Entscheidung. Die Frage ist nun einfach, wo die Mehrheiten liegen.
4. Das Urheberrecht schützt die Kreativen
4. Das Urheberrecht dient der kulturellen Entwicklung
Das Urheberrecht schützt den Urheber […] Interessen von Nutzern […] dürfen aber nicht selbst als Schutzgegenstand des Urheberrechts aufgewertet werden.
In diesem Absatz steckt eigentlich alles drin, was in der bisherigen Urheberrechtsdebatte falsch läuft. Ständig wird vom fairen Interessensausgleich zwischen Urhebern (sowie Verwertern) und Nutzern gesprochen, aber im selben Atemzug heißt es dann: Das Urheberrecht ist für die Urheber da, nicht für die Nutzer.
Hier muss ich mal Tacheles reden: Wir brauchen kein Gesetz, das den Interessen einer bestimmten Berufsgruppe dient. Die Beziehung eines Urhebers zu seinem geistigen Werk ist auch nicht schützenswerter als die eines Handwerkers zu seinem physischen Produkt. Und übrigens auch nicht mehr als die Beziehung zwischem dem Nutzer eines geistigen Werks und dem Werk selbst.
Der Grund, warum wir ein Urheberrecht haben, lässt sich einfach beschreiben: Wir – die Gesellschaft – wollen nicht nur vorhandene Werke nutzen, sondern wir wollen auch neue Werke sehen. Und wir sind der Überzeugung, wenn man Urhebern bestimmte Rechte einräumt, dann sind sie eher bereit, neue Werke zu schaffen, z.B. weil sie dann vom Schaffen leben können und nicht anderweitig Geld verdienen müssen.
Ziel des Urheberrechts ist damit aber nicht, die Interessen des Urhebers zu schützen, sondern die Fülle an Werken, aus der wir als Nutzer in der Gesellschaft schöpfen können, zu mehren (Die US-Verfassung spricht hier z.B. von »To promote the progress in science and the useful arts«). Das Urheberrecht hat sich von diesem Ziel wegentwickelt und dem müssen wir entgegenwirken. Deswegen ist es unabdingbar, dass die Interessen der Nutzer – die nunmal gar nicht soweit von denen der Urheber weg sind – wieder in den Mittelpunkt gestellt werden.
5. Fair-Use ist nicht fair
5. Fair-Use hat gute Ansätze
Man kann am amerikanischen Fair-Use-Prinzip sicher Kritik anbringen. Es stimmt vor allem, dass unser kontinentaleuropäisches System von Urheberrechtsschranken deutlich mehr Rechtssicherheit schafft. Dennoch hat auch Fair-Use seine Vorteile, gerade im Bereich Remix und Mashup. Es ermöglicht, insbesondere in Bagatellfällen, z.B. zufälliger Hintergrundmusik in Privatvideos auf Youtube, eine Abwägungen mit Augenmaß zu treffen, anstatt sich an die Buchstaben des Gesetzes halten zu müssen. Schrankenregelungen müssten dazu beim derzeitigen Tempo der technischen Entwicklung etwa im Jahresrhythmus angepasst werden, Fair-Use bleibt gültig. Beide Ansätze lassen sich aber so vereinen, dass die Vorteile beider Welten genutzt werden können.
6. Verwertungsgesellschaften
6. Verwertungsgesellschaften!
Es ist jetzt nicht verwunderlich, dass auf der Kampagnenseite einer Verwertungsgesellschaft eine Lanze für Verwertungsgesellschaften gebrochen wird. Auch ich habe nichts gegen Verwertungsgesellschaften, ganz im Gegenteil. Ich hätte gerne mehr davon, damit in diesem Bereich mehr Wettbewerb herrscht. Fangen wir am besten mit der Unterstützung der C3S an.
7. Lizenzieren, Lizenzieren, Lizenzieren
7. Legale Angebote sind immer noch unzureichend
Kaum ein Nutzer kann sich heute noch darüber beschweren, dass ihm Bücher, Musik oder Filme nicht in digitaler Form einfach und bezahlbar angeboten würden.
Ich lachte hart. Die VG Wort scheint in einer anderen Welt zu leben. Die legalen Angebote sind nicht annähernd auf einem Niveau, um sie als einfach und bezahlbar zu bezeichnen. Nehmen wir den Bereich Bücher, der sich im Kerngeschäft der VG Wort befindet: Derzeit verkaufen alle odentlich sortierten legalen E-Book-Angebote nur DRM-verseuchten Dreck.
Auch auf Serien aus dem Ausland wartet man derweil eine gefühlte Ewigkeit, um sich dann schlechte deutsche Synchronfassungen ansehen zu dürfen. Einen Zugang für Seiten wie hulu.com kann ich mir als Deutscher immer noch nicht kaufen. Selbst in den USA ist das Angebot an Serien immer noch nicht so prickelnd. Und bei Musik… nun, ich kann mir das offizielle Gangnam-Style-Video auf Youtube immer noch nicht ansehen.
Bei den Angeboten, die es tatsächlich gibt, ist die Preisgestaltung obendrein doch recht daneben. Drei Euro für eine DRM-verseuchte Folge einer Serie, bei der ich die gesamte 24-Folgen-Staffel für etwas mehr als 20 € auf Blueray[1] bekomme, machen den Online-Kauf zur reinsten Abzocke.
Fazit: Alternativen zum Filesharing sind immer noch Mangelware.
8. Aufklärung ist erforderlich
8. Eine Reform des Urheberrechts ist erforderlich
Es wird die VG Wort jetzt verwundern, aber die meisten Menschen, die sich urheberrechtlich geschütztes Material per Filesharing besorgen, sind sich der Rechtslage durchaus bewusst. Der Knackpunkt ist nur, dass das Urheberrecht so fernab ihrer Lebensrealität ist, dass es bei diesen Menschen rapide an Akzeptanz verliert.
Wenn die Akzeptanz für ein Gesetz bröckelt, ist die Lösung aber nicht, die Menschen zu ändern, sondern das Gesetz. Genau aus diesem Grund brauchen wir eine Urheberrechtsreform. Die Menschen haben mit ihren Füßen abgestimmt. Filesharer gehören nicht bestraft, auch nicht »mit Augenmaß«, wie es bei der VG Wort heißt, sondern nicht-kommerzielle Verbreitung und Vervielfältigung muss endlich als Recht der Nutzer anerkannt werden.
Und noch was:
Das beginnt mit Aufklärungsarbeit in den Schulen.
Bitte keine politische Propaganda an Schulen. Lassen wir die Diskussion doch bitte einfach zwischen uns Erwachsenen, ok?
[1] Zugegeben, Blueray ist auch DRM-verseucht, weswegen ich zur noch günstigeren DVD-Version gegriffen habe.
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Andi Popp geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
Zu 7. muss ich aus meiner eigenen Erfahrung als Autor sagen, dass nicht alle eBook-Händler die Bücher mit DRM-Scheiß anbieten. Mein Buch bekommt man, beispielsweise, bei Beam eBooks ohne DRM (http://www.beam-ebooks.de/ebook/45294). Allerdings, und das ist leider auch der Fall, schmeißen viele Händler ganz von alleine einen Kopierschutz mit auf die Bücher, selbst wenn die Originaldateien DRM-frei sind.
So kriegt man mein Buch bei Amazon, BOL, Libri und Co. beispielsweise nur mit DRM-Dreck. Obwohl die eigentliche Datei DRM-frei war, als sie zu den Händlern rausging.
Hier wird mir als Autor also sogar der Einfluss darauf genommen, ob ich meine Bücher mit oder ohne DRM anbieten will. Ich will kein DRM auf meinen Büchern, aber die Händler schmeißen es (gegen meinen Willen) ganz von alleine dazu.
Vielleicht sollte sich die VG-Wort lieber darum kümmern, dass der Wille der Autoren umgesetzt wird, statt politische Propaganda an Schulen zu fordern.
Servus Daniel,
das was du da schreibst kann ich nur unterstützen. Die DRM-freien Angebote sind leider in meinen Augen immer noch unzureichend, gerade weil bekannte jüngere Werke dort leider nicht zu finden sind. Aber dein Ansatz ist richtig. Keep up the good work!
Viele Grüße
Andi
Ahoi Andi,
Urheberrecht kan auch blockieren. Historisches: Conrad Röntgen, der „Erfinder“ der nach ihm benannten Strahlen, verzichtete auf Patentschutz, um seine Erfindung der Röntgenbildes allen zugänglich und nutzbar zu machen
Ansgar Honé
Hallo Ansgar,
ich kann dem was du sagst eigentlich nur zustimmen. Gerade Patente sind häufig Innovationshemnisse. Das Urheberrecht und das Patentrecht, sind aber zwei verschiedene Paar Stiefel, wie man z.B. an den unterschiedlichen Laufzeiten sieht.
Viele Grüße
Andi