Bayern Kommentar Politik Topthema

Rettet die alte Zeitungswelt?

Dinosaurier, gebaut aus Zeitungspapier (Epsos.de - CC-BY)
Dinosaurier, gebaut aus Zeitungspapier (Epsos.de - CC-BY)

Durch die derzeitige Medienpolitik in Deutschland zieht sich ein roter Faden, der einen verängstigt. Mit aller Gewalt versuchen die bisherigen Spieler des Systems, Geschäftsmodelle und Strukturen aus der analogen Welt in die digitale Zeit zu retten.

So wird ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt, das den Verlagen in Internetzeiten Einnahmen garantieren soll. Und die Verleger wollen diese Garantie unbedingt, wahrscheinlich, weil sie innerlich spüren, dass sie in Zukunft nicht mehr in dem Maße für das Funktionieren unseres medialen Systems gebraucht werden wie bisher. Und nein, damit ist nicht der Qualitätsjournalismus mit seinen tiefergehenden Analysen und seiner investigativen Recherche gemeint. Der wird natürlich weiterhin benötigt. Bei zwei ganz anderen Aufgaben der Verlagshäuser tun sich mehr und mehr Alternativen auf.

Bei dem klassischen Gebiet von Verlegern – der Vorfinanzierung von Projekten – haben Crowdfundingkonzepte immer häufiger Erfolg. Und auch bei der Gewichtung und Auswahl von Nachrichten, dem Bewerten der Wichtigkeit von Themen und der Qualität von Inhalten hat die Crowd – also wir alle – dank Social Media eine zunehmende Bedeutung. Immer mehr Nachrichten werden nicht deswegen gelesen, weil sie ein Redakteur so ausgesucht hat, sondern weil sie getwittert, geliked und empfohlen wurden. Die Verlage und Redaktionen der Zukunft? Wir alle!

Diese Entwicklung ist nicht neu und eine logische Konsequenz aus dem Überangebot an medial vermittelten Inhalten. Das eigene Vertrauensnetz filtert den täglichen Informationswust und spart uns dadurch viel Zeit.

In einer Umgebung des Wandels wirkt das zwanghafte Erhalten der Tageszeitungen durch die Akteure dieses Landes auf mich wie der Kampf eines Prinzen gegen den Drachen der Erneuerung, um die Prinzessin Zeitung zu retten. Nur wird in diesem Märchen der Drache die Prinzessin verschlingen – und den Prinzen gleich mit.

Diesmal versuchen sich SPD und Freie Wähler im Landtag als Retter der Tageszeitung zu gerieren. So fordern sie zu verhindern, dass das Privatfernsehen die Möglichkeiten der Technik nutzt, um in verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedliche Werbeblöcke zu zeigen. Sie fürchten, dass dadurch die überregionalen Sender den Lokalmedien die Werbekundschaft abspenstig machen.

Damit wäre die lokale Grundversorgung mit Nachrichten und Unterhaltung durch Medien gefährdet – sagen sie. Das scheint mir unglaubwürdig. Erstens, weil die Konzerne viel zu groß sind, um mit der lokalen Bäckereikette über Werbeplätze zu verhandeln. Und zweitens, weil es für die Versorgung mit Lokalnachrichten keinen Markt gibt, der vermarktbar wäre. Die Politik scheint vergessen zu haben, dass Werbekunden Werbung nur selten aus Gutmütigkeit schalten. Sie kaufen sich bei den Medien die Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten ein.

Diese Aufmerksamkeit wandert aber nicht auf einmal von einem Medium zum anderen. Wer bisher Zeitung gelesen hat, wird in Zukunft vielleicht Lokalblogs lesen, aber sicherlich nicht auf einmal den medialen Schund des Privatfernsehens konsumieren, nur weil dort jetzt mehr Werbung geschaltet wird, die auf die Region der Konsumenten zugeschnitten ist. Die Politik scheint den Grundsatz zu vergessen, dass Werbung den Menschen folgt und nicht umgekehrt.

Natürlich ist es richtig, dass auch der Lokaljournalismus zukunftsfähige Konzepte benötigt, um finanzierbar und weiterhin tragfähig zu sein. Die Welt anzuhalten, ist allerdings nicht die Lösung der Probleme. Spätestens dann, wenn der Medienkonsum vom klassischen Kabel und Satellit vollständig auf das Übertragungsmedium Internet umgestiegen ist, wird die Werbung nicht nur regional genau geschaltet, sondern wahrscheinlich personengenau. Youtube zeigt hier auf, in welche Richtung sich der Werbemarkt entwickeln könnte. Sich gegen diese Entwicklung zu stemmen, würde mal wieder bedeuten, dass Deutschland sich gegen die Entwicklung der Digitalisierung zu stellen versucht – und den Anschluss an den Fortschritt im Internet verliert.

Hilfreicher als der Kampf der Politik und der traditionellen Medien gegen die neue Welt wäre das Entwickeln, Ausprobieren und Fördern von tragfähigen Konzepten der Finanzierung dieser neuen digitalen Medienwelt und vor allem die Akzeptanz, dass so ein mediales Schlaraffenland, wie wir es derzeit in Deutschland haben, ein Überangebot ist, das zum Preisverfall beiträgt. Die Probleme, die dieses Überangebot hervorruft, werden nur durch eine Medienkonzentration lösbar sein.

Dabei reagieren die Akteure auf die Krise absolut falsch. Mitten im aktuellen Wandel dünnen die Zeitungen zum Beispiel vor allem ihre Lokalredaktionen aus. An der Lokalredaktion lässt sich am leichtesten sparen. Dummerweise schwächen sie damit aber genau ihre Kernkompetenz und gefährden ihre eigentliche Existenzberechtigung. Für den sogenannten Mantel braucht es in der digitalen Welt keine lokalen Zeitungen mehr; die Informationen werden bereits hinreichend durch deutschlandweite, renommierte Nachrichtenportale abgedeckt.

Die Nachrichten vor Ort können und wollen diese überregionalen Portale aber gar nicht abdecken. Mediale Ausdünnung und Spezialisierung ist der Schlüssel für das Überleben vor Ort. Wenn die lokalen Medienangebote sich wieder auf guten Lokaljournalismus konzentrieren, werden sie auch ernst genommen und die Rezipienten werden wieder kommen. Und genau dann können die Medienanbieter auch wieder an die Werbetreibenden das verkaufen, was sie am meisten interessiert: Unsere Aufmerksamkeit.

Schutzgesetze werden ihnen bei diesem Prozess nicht helfen.

Symbolbild: epsos.deCC-BY

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Benjamin Stöcker geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

2 Kommentare zu “Rettet die alte Zeitungswelt?

  1. Wir beobachten schon seit längerem eine zunehmende Konzentration aller Medien,sowohl in USA als auch in Deutschland. Bald sind alle wichtigen Medien nur noch in den Händen weniger privater Konzerne.
    Kleine Zeitungen, die bisher noch unabhängig waren sterben oder werden aufgekauft.
    Nach dem Aufkauf wird immer nach dem gleichen Schema verfahren:
    Das Fachpersonal wird durch Praktikanten und Leiharbeiter ersetzt, die nur noch dpa-Meldungen umformulieren. Eigene Recherchen gibt es keine mehr. Das Ziel ist klar: Die Meinung kommt von einem nicht staatlichen Konzern. Denn nur wer die Medien und das Geld hat, der hat wirklich die Macht.

    Journalist ist auch ein Beruf, und keiner schriebt schlecht über seinen Chef.
    Zumal wenn er sowieso nichts zu melden hat.
    Die Schutzgesetze der SPD sind nur ein Feigenblatt, das natürlich keinerlei Wirkung hat auf das unvermeidliche Endergebnis.

  2. Anonymous

    Ich muss an einem Punkt widersprechen. Es ist Großkonzernen durchaus möglich, Werbeplätze direkt an einzelne lokale Firmen zu verkaufen.

    Schauen wir uns doch mal Google an. Bei denen kann man Onlinewerbeflächen in beliebif großen oder kleinen Mengen kaufen, obwohl der Konzern riesig ist. Man kann durchaus sagen: „ich will mein Banner nur 100mal angezeigt haben, und zwar nur in dieser Gegend.“

    Dieser Ansatz wäre durchaus auch auf das Fernsehen übertragbar. Die Vertriebsinfrastruktur aufzubauen wäre trivial. Das einzige, was fehlt, ist eine Technologie, mit der man lokal (oder sogar nach Ortsteil) verschiedene Werbespots zeigen kann, damit jeder die Werbung für seinen Bäcker bekommt und nicht die für einen Bäcker am andern Ende der Stadt.

    Auch große Konzerne und Ladenketten könnten davon profitieren, da sie auf diese Weise lokalisierte Werbung schalten könnten – etwa durch Einblendung der Addresse der nächsten Filiale.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert