In einem Kuhhandel haben CSU und FDP nun eine Freiheit gegen eine andere eingetauscht: Zwar dürfen wir in Zukunft am Vorabend stiller Tage bis 2 Uhr nachts tanzen. Dafür dürfen wir nicht mehr Bier trinken, wo wir wollen. Das mag zunächst aussehen wie eine Nebensächlichkeit. In Wirklichkeit stellt es einen massiven Eingriff der Staatsregierung und Kommunen in die Bürgerrechte dar. Hier geht es nicht um Alkohol. Hier geht es darum, welches Verhalten staatlich erwünscht ist – und in welchem Rahmen. Der öffentliche Raum, der eigentlich uns, der Öffentlichkeit gehört, wird zu einem Schaulaufen der staatlich gelenkten Moralvorstellungen und der kommunalen Willkür. Ich bin der Meinung, wir sollten uns das nicht bieten lassen.
Denn hier zeigt sich ganz die Doppelmoral der CSU/FDP: Während staatlich gebilligte, weil kommerziell einträgliche und touristisch, nun ja, wertvolle Saufgelage wie das Oktoberfest jährlich exzessiver werden, sollen die Gemeinden nun das nichtkommerzielle, habituelle oder spontane Biertrinken auf öffentlichen Plätzen verbieten können.
Dass diese Maßnahme nur vordergründig dazu dient, „Alkoholexzesse“ einzudämmen, sollte jedem Besucher von Dult, Weihnachtsmarkt und Oktoberfest klar sein. Nein, hier geht es darum, erwünschtes Verhalten in der Öffentlichkeit zu erzwingen – und Individuen und Gruppen, die dieses Verhalten nicht von sich aus zeigen, zu verdrängen. Die Punker im Park? Die Alkis am Bahnhof? Die vorglühenden Studenten? Werden dann in die Unsichtbarkeit der Vorstädte oder des privaten Raumes gedrängt, weil sie einem bayerisch geordneten Staats- und Stadtbild widersprechen könnten. Damit bildet man sich ein, dass alle Probleme gelöst wären. Frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Wie das konkret laufen kann, zeigt das Beispiel aus Nürnberg, wo die Deutsche Bahn, auf Bitten der Kommune, ein nächtliches Alkoholverbot erlassen hat. Das Ergebnis war absehbar. Die „Szene“, also die Biertrinker am Bahnhof, trifft sich nun vor dem Bahnhof. Ein klassischer Fall von Verdrängung. Jetzt steht im Raum, den Alkoholkonsum in der gesamten Nürnberger Innenstadt zu verbieten.
Ich halte die angekündigte Regelung für verfassungsrechtlich bedenklich. Straftaten und Gefahren für die öffentliche Sicherheit können schon jetzt verfolgt werden. Die Grundrechte auf Freiheit und Gleichheit garantieren jedoch nach meinem Rechtsverständnis einen Kernbestand an Zugang und friedlicher Nutzung des öffentlichen Raums. Sofern die von der Staatsregierung geplanten Regelungen auch die friedliche Nutzung des öffentlichen Raums einschränken, sehe ich dies als unverhältnismäßig und verfassungswidrig an. Dass ausgerechnet die FDP an solch massiven Einschränkungen der Bürgerrechte mitwirkt, zeigt, dass von Seiten der FDP offenbar keine politischen Bemühungen mehr um den Schutz der Bürgerrechte in Bayern zu erwarten sind. Die Aktion der Staatsregierung sieht nach einem durchschaubaren Wahlkampfmanöver aus, ein Geschenk an konservative Wähler auf Kosten sozial benachteiligter Gruppen.
Ich bin der Meinung, dass wir die Nutzung der öffentlichen Räume und Gemeingüter deregulieren sollten. Der Zugang zum öffentlichen Raum darf auf keinen Fall beschränkt oder reglementiert werden. Der öffentliche Raum gehört allen.
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Marcus Dinglreiter mit Hilfe von Tina Lorenz geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
Das Alkoholverbot im Nürnberger Bahnhof ist meines Wissens nach nicht auf Bitte der Stadt erlassen worden, sondern ging von der DB aus. Das „Verbot des Verweilens zum Alkoholkonsum“ existiert in der Nürnberger Altstadt seit Jahren und ist die einzige Möglichkeit der Stadt die Anwohner vor allzu grosser Belästigung (Saufgelage um 4:00 nachts) zu schützen. Bei den Alkis im Park wird die Regelung nicht vollzogen, da es keinen Sinn hat.
Seit der Liberalisierung der Sperrzeiten sind die Straftatbestände und die Alkoholexzesse massiv angestiegen, und die Kommunen sind seitdem nur sehr erschwert in der Lage gegen „Problemlokale“ vorzugehen. Gerade in Großstädten kommt es hier zu sog. Brennpunkten. In kleineren Städten und Dörfern ist es weniger ein Problem, da hier die „sozialen Nachbarschaften“ noch funktionieren.
Meiner Meinung nach geht es hier nicht um Menschen die ihr gemütliches Feierabendbier auf der Parkbank trinken, sondern um Besucher die ihr persöhnliches „Recht auf Vollrausch“ auf Kosten anderer ausleben.
Ich will hier keinesfalls die Staatsregierung in Schutz nehmen, sondern lediglich andeuten, das die Problematik wesentlich komplexer, und nicht für eine kurze „Haudrauf“ Kampagne geeignet ist.
Hier in meiner kleinen Provinzstadt gibt es Gebiete in denen es Nachts dermassen nach Alkohol, Kotze, Urin und sonstigen Gerüchen die mit exzessivem Alkoholkonsum einhergehen stinkt, dass ich vermeide bei einem nächtlichen Spaziergang dort vorbei zu gehen. Das ist manchmal wirklich nicht auszuhalten
Kein Problem für mich. Aber was ist mit den Menschen die dort wohnen?
Die können einem echt Leid tun!
Ahoi,
ich sehe es grundsätzlich als Problem an, Schwierigkeiten mit Verboten zu lösen. Durch die Rauchverbote verlagert sich auch der Alkoholkonsum nach draußen. Die Folgen werden oben beschrieben. Die zweite Seite ist das „Komasaufen“ der Jugendlichen. Das ebbt wie jede exzessive Jugendwelle ab. ich halte es für intelligenter, sich den ganzen Komplex einmal anzuschauen, wobei mein Einwand nur ein Pfad zur Lösung sein kann. Hingegen mnuss ich sagen: Jedes Verbot treibt uns die Wähler in die Arme.
Ahoi,
die Auffassung von Michael kann ich nur bestätigen. Als Bewohner der Altstadt und Benutzer des Bahnhofs weiß ich, wovon er spricht. Wenn bestehende Regeln wie „Verbot des Verweilens zum Alkoholkonsum“, „Abgabe von Alkohol an Minderjährige“ oder „Abgabe von Alkohol an bereits sichtbar Betrunkene in der Gastronomie“ nicht durchgesetzt werden können oder sollen, braucht es halt anderer Maßnahmen. Das hat mir Regulierungswut oder Spießigkeit nichts zu tun. Es geht hier um die Freiheit, angstfrei öffentlichen Raum zu benutzen, ohne angepöbelt oder gar angegriffen zu werden. Ich halte das für ein sehr piratiges Ziel.
Auch wir in Erlangen haben bei der Bergkirchweih (1 Mio Besucher in 10 Tagen!) mit dem Kampf gegen das Vorglühen (http://halterlangen.wordpress.com/berichte/) und lokale Alkohol/Rauchverbote (zB Kinderspielplätze) recht gute Erfahrungen gemacht. Insbesonder die Familien mit Kindern und die Anwohner Erlangen-Nords sind sehr dankbar.
Anything goes ist nicht unbedingt immer das Beste. Jeder Mensch hat auch eine Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen. Auch sind zB. sexistische und gewalttätige Übergriffe niemals durch Trunkenheit entschuldbar.