Gestern hat unser Bildungsminister Ludwig Spaenle eine Regierungserklärung zur Bildungspolitik abgegeben. Viele Zahlen und Daten und Fakten hat er aufgezählt, da konnte einem nur schwindelig werden. Selbst das Zitieren von Studien der Bertelsmann-Stiftung und der Vodafone-Stiftung durfte nicht fehlen. Von einem verlässlichen pädagogischen Rahmen, der sicher sei, redete er. Und er verwahrte sich dann auch bitte gegen die ideologische Debatte, die anscheinend alle anderen führen.
»Ich verstehe mich als Schulbaumeister«, hielt er fest. Ich frage mich, was er damit wohl gemeint haben mag. Sicherlich nicht, dass man sich traut, das Schulsystem in Bayern ins 21. Jahrhundert zu heben. Sicherlich nicht, dass man wirklich visionär mal seinen Gedanken Folge leistet. Stattdessen geht man zwar in die richtige Richtung, aber bleibt dabei bitte auch stehen. Das ist die CSU-Ideologie.
Bayern muss bei seinem dreigliedrigen Schulsystem – das weit mehr Schulformen kennt – bleiben, weil wir das ja schon immer so gemacht haben. Nicht alle Schüler seien gleich, man brauche verschiedene Geschwindigkeiten für verschiedene Schüler. Recht hat er damit, die Schüler sind Individuen und nicht alle schaffen das gleiche Pensum in der gleichen Zeit.
Und genau deswegen baut man die flexible Grundschule aus. Dort können die Grundschüler in gemeinsamen Klassen die Lernziele der bisherigen 1. und 2. Klassen erreichen. Manche schaffen das dann in einem Jahr, die meisten brauchen dafür zwei Jahre, und wieder andere brauchen eben drei. Das gab es bisher als Modellversuch – mit großem Erfolg. Und genau deswegen will man das System in der Mittelstufe des Gymnasiums auch einführen. Wer die fließende Schullaufbahn der Piraten in NRW kennt, dem wird das irgendwie bekannt vorkommen.
Aber statt diesen Grundgedanken endlich zu Ende zu denken, das dreigliedrige Schulsystem in Frage zu stellen und über so ein Konzept effektiv das n-gliedrige Schulsystem einzuführen, hält man – ganz ideologiefrei – am dreigliedrigen Schulsystem fest. Man könne ja hier noch eine Durchlässigkeit schaffen. Man kann hier noch eine Übergangsmöglichkeit einführen. Und am besten noch eine Schulform einführen. Das bayerische Schulsystem hat mittlerweile so eine Komplexität erreicht und die Möglichkeiten sind so vielfältig geworden, dass Vodafone vom bayerischen Kultusministerium sich sicher noch ein paar Tricks für die Unübersichtlichkeit des eigenen Tarifdschungels abschauen kann.
Mit Ideologiefreiheit und Zukunftssicherheit hat das Vorgehen der bayerischen Politik sicherlich nichts zu tun. Ja, wir brauchen verschiedene Bildungsabschlüsse für unterschiedlich begabte Menschen. Ja, wir brauchen für die einzelnen Schüler verschiedene Geschwindigkeiten. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Begabungen, nein, auch weil jeder mal aufgrund von Lebenskrisen zeitweise vielleicht etwas langsamer machen muss.
Das scheint die CSU ja verstanden zu haben und setzt das bereits in der Grundschule und bald auch im Gymnasium um – nur bloß nicht am dreigliedrigen Schulsystem rütteln. Grundlegend verschiedene Lehrpläne und Schulen braucht man aber für all diese Ziele nicht. Am dreigliedrigen Schulsystem festzuhalten, es dabei aber durchlässig und unübersichtlich zu machen, um innerhalb der einzelnen Schulformen dann flüssige Schullaufbahnen und verschiedene Geschwindigkeiten zu ermöglichen, ist Schulpolitik nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Einen Schulbaumeister kann ich da nicht erkennen.
Jedenfalls nicht, wenn Klarheit und Übersichtlichkeit das Ziel des “bayerischen Wegs” sein sollen. Herr Spaenle baut ein verwinkeltes Märchenschloss mit Türmchen und Erkern, das von außen sehr hübsch anzusehen, aber von innen kaum zu überblicken ist.
Lehrer, Schüler und Eltern werden auf lange Sicht mit den vielen Übergangs-, Umsteige- und Auswahlmöglichkeiten überfordert sein – und dann wird sich Dankbarkeit breitmachen, wenn das System irgendwann wieder verschlankt und strukturiert wird. Dabei sind die Ansätze, wie oben bereits erwähnt, ja nicht schlecht.
Aber statt diesen Schritt konsequent weiterzugehen und Schulen zu schaffen, in denen wirklich jeder Schüler nach seinen individuellen Bedürfnissen gefördert werden kann, schreckt die bayerische Landesregierung davor zurück mit dem Argument, das sei ja eine Einheitsschule. Im Weltbild der CSU wird übersehen, dass auch beim Konzept der fließenden Schullaufbahn das Erkennen individueller Talente und Schwächen und deren Förderung wesentlich leichter sind als in diesem zerfledderten Schulsystem, das eigentlich gar nicht mehr dreigliedrig ist und dem die vielfältigen Wahlmöglichkeiten um den Leib flattern wie die Fetzen, die an einem Zombie haften.
Hinweis: Dieser Kommentar ist von Benjamin Stöcker und wurde mit Unterstützung von Astrid Steinmann geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare einreichen. Wie erfahrt ihr bei der SG Digitale Medien.
Diese Website benutzt Cookies. Wenn du die Website weiter nutzt, gehen wir von deinem Einverständnis aus.OK
Gestern hat unser Bildungsminister Ludwig Spaenle eine Regierungserklärung zur Bildungspolitik abgegeben. Viele Zahlen und Daten und Fakten hat er aufgezählt, da konnte einem nur schwindelig werden. Selbst das Zitieren von Studien der Bertelsmann-Stiftung und der Vodafone-Stiftung durfte nicht fehlen. Von einem verlässlichen pädagogischen Rahmen, der sicher sei, redete er. Und er verwahrte sich dann auch bitte gegen die ideologische Debatte, die anscheinend alle anderen führen.
»Ich verstehe mich als Schulbaumeister«, hielt er fest. Ich frage mich, was er damit wohl gemeint haben mag. Sicherlich nicht, dass man sich traut, das Schulsystem in Bayern ins 21. Jahrhundert zu heben. Sicherlich nicht, dass man wirklich visionär mal seinen Gedanken Folge leistet. Stattdessen geht man zwar in die richtige Richtung, aber bleibt dabei bitte auch stehen. Das ist die CSU-Ideologie.
Bayern muss bei seinem dreigliedrigen Schulsystem – das weit mehr Schulformen kennt – bleiben, weil wir das ja schon immer so gemacht haben. Nicht alle Schüler seien gleich, man brauche verschiedene Geschwindigkeiten für verschiedene Schüler. Recht hat er damit, die Schüler sind Individuen und nicht alle schaffen das gleiche Pensum in der gleichen Zeit.
Und genau deswegen baut man die flexible Grundschule aus. Dort können die Grundschüler in gemeinsamen Klassen die Lernziele der bisherigen 1. und 2. Klassen erreichen. Manche schaffen das dann in einem Jahr, die meisten brauchen dafür zwei Jahre, und wieder andere brauchen eben drei. Das gab es bisher als Modellversuch – mit großem Erfolg. Und genau deswegen will man das System in der Mittelstufe des Gymnasiums auch einführen. Wer die fließende Schullaufbahn der Piraten in NRW kennt, dem wird das irgendwie bekannt vorkommen.
Aber statt diesen Grundgedanken endlich zu Ende zu denken, das dreigliedrige Schulsystem in Frage zu stellen und über so ein Konzept effektiv das n-gliedrige Schulsystem einzuführen, hält man – ganz ideologiefrei – am dreigliedrigen Schulsystem fest. Man könne ja hier noch eine Durchlässigkeit schaffen. Man kann hier noch eine Übergangsmöglichkeit einführen. Und am besten noch eine Schulform einführen. Das bayerische Schulsystem hat mittlerweile so eine Komplexität erreicht und die Möglichkeiten sind so vielfältig geworden, dass Vodafone vom bayerischen Kultusministerium sich sicher noch ein paar Tricks für die Unübersichtlichkeit des eigenen Tarifdschungels abschauen kann.
Mit Ideologiefreiheit und Zukunftssicherheit hat das Vorgehen der bayerischen Politik sicherlich nichts zu tun. Ja, wir brauchen verschiedene Bildungsabschlüsse für unterschiedlich begabte Menschen. Ja, wir brauchen für die einzelnen Schüler verschiedene Geschwindigkeiten. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Begabungen, nein, auch weil jeder mal aufgrund von Lebenskrisen zeitweise vielleicht etwas langsamer machen muss.
Das scheint die CSU ja verstanden zu haben und setzt das bereits in der Grundschule und bald auch im Gymnasium um – nur bloß nicht am dreigliedrigen Schulsystem rütteln. Grundlegend verschiedene Lehrpläne und Schulen braucht man aber für all diese Ziele nicht. Am dreigliedrigen Schulsystem festzuhalten, es dabei aber durchlässig und unübersichtlich zu machen, um innerhalb der einzelnen Schulformen dann flüssige Schullaufbahnen und verschiedene Geschwindigkeiten zu ermöglichen, ist Schulpolitik nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Einen Schulbaumeister kann ich da nicht erkennen.
Jedenfalls nicht, wenn Klarheit und Übersichtlichkeit das Ziel des “bayerischen Wegs” sein sollen. Herr Spaenle baut ein verwinkeltes Märchenschloss mit Türmchen und Erkern, das von außen sehr hübsch anzusehen, aber von innen kaum zu überblicken ist.
Lehrer, Schüler und Eltern werden auf lange Sicht mit den vielen Übergangs-, Umsteige- und Auswahlmöglichkeiten überfordert sein – und dann wird sich Dankbarkeit breitmachen, wenn das System irgendwann wieder verschlankt und strukturiert wird. Dabei sind die Ansätze, wie oben bereits erwähnt, ja nicht schlecht.
Aber statt diesen Schritt konsequent weiterzugehen und Schulen zu schaffen, in denen wirklich jeder Schüler nach seinen individuellen Bedürfnissen gefördert werden kann, schreckt die bayerische Landesregierung davor zurück mit dem Argument, das sei ja eine Einheitsschule. Im Weltbild der CSU wird übersehen, dass auch beim Konzept der fließenden Schullaufbahn das Erkennen individueller Talente und Schwächen und deren Förderung wesentlich leichter sind als in diesem zerfledderten Schulsystem, das eigentlich gar nicht mehr dreigliedrig ist und dem die vielfältigen Wahlmöglichkeiten um den Leib flattern wie die Fetzen, die an einem Zombie haften.
Hinweis: Dieser Kommentar ist von Benjamin Stöcker und wurde mit Unterstützung von Astrid Steinmann geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare einreichen. Wie erfahrt ihr bei der SG Digitale Medien.