Kommentar

Gender: Pirat

Oder: Piraten sind einfach Menschen!
Ein Gastbeitrag von Astrid Steinmann

(Zusammenfassung) Piraten sind all das, was Ihr Euch nichtmal vorstellen könnt. Männer und Frauen sind allerdings auch dabei.

Ich bin Mitglied der Piratenpartei. Das heißt, eigentlich bin ich ja ohne Glied, und damit sind wir auch schon beim Thema, nämlich bei der Piratenpartei und dem fehlenden Problembewusstsein bezüglich der „Genderpolitik“. Heutzutage benutzt man ja gern ausländische Begriffe, also erkläre ich das mal: „Gender“ ist das englische Wort für das „soziale Geschlecht“. Ironischerweise bezieht sich die Kritik hier aber auf das biologische Geschlecht. Oder anders gesagt: Eigentlich wäre das richtige Wort „Sex“. Aber wenn man sagte, die Piraten hätten ein Sexproblem, wäre das vielleicht doch … justiziabel? Also wird das Wort „Gender“ so umgebogen, dass es passt, versteht ja doch niemand wirklich.

Auch wenn das Wort englisch ist und darüberhinaus falsch benutzt wird, ist das, was dabei herauskommt, herrlich deutsch, nämlich die Einsortierung von Menschen in hübsche, handliche Schublanden. Und die Piraten verweigern sich dieser Sortierung, sehr zum Unwillen der ordnungsliebenden deutschen Berichterstatter. Gerade heute hatte ich die Ehre, mit einem Journalisten zu telefonieren, der mit mir über die Piraten und die „Genderfrage“ sprechen wollte. Wir hätten doch relativ wenige weibliche Parteimitglieder. Ja, stimmt. Dafür sind verhältnismäßig viele Frauen tatsächlich in Ämtern, ganz ohne Quote:

Zwei von sieben Mitgliedern des Bundesvorstands sind Frauen. Bei den Jungen Piraten sind es sogar drei von sieben Vorstandsmitgliedern, darunter die Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende, welche nun auch im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. In den meisten Landes- und Kreisvorständen sind Frauen vertreten, die Landesverbände Berlin, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben Schatzmeisterinnen. Diese Liste ließe sich leicht fortsetzen. Zu guter Letzt bin ich ja auch eine, die einen Kreisverbandsvorsitz hat.

Aber das passt jetzt nicht ins Bild. Vor allem dann, wenn man die „richtigen“ Bilder zum Bericht oder zum Artikel liefert. Unsere Journalisten sind sich also nicht zu schade, den Versuch zu unternehmen, ein „Genderproblem“ in der Piratenpartei herbeizureden und -schreiben. Ich mache das nicht mit.

Unterscheidung von Menschen nach welchem Kriterium auch immer hat nämlich in der Hauptsache eines zur Folge: Spaltung. Die ‚Wir-sind-anders‘-Mentalität von Gruppen zieht unweigerlich eine ‚Wir-sind-besser‘-, eine ‚Ihr-seid-schlechter‘- oder eine ‚Wir-werden-benachteiligt‘-Mentalität nach sich. Und das ist für diejenigen, die dieses Land derzeit beherrschen, mehr als praktisch. Schon die alten Römer wussten, dass sich mit dem Prinzip „teile und herrsche“ so richtig Kohle machen lässt.

Das ist übrigens auch das Prinzip, nach dem Zaubertricks funktionieren: Bring das Publikum dazu, woanders hinzugucken, dann kannst du in aller Seelenruhe deine Münze in die andere Hand nehmen und aus dem Ohr des Herrn vorne links im Publikum ziehen. Bring die Menschen dazu, zu glauben, die Piraten hätten ein „Genderproblem“ und würden Frauen diskriminieren, dann bremst du den Zulauf.

Ich finde, Quoten darf man nicht pauschal verteufeln, sie können Positives bewirken: Bei der CSU beispielsweise. Wenn man bedenkt, dass dort der Kalk in den Köpfen der Mitglieder schneller rieselt als die Umfragewerte der FDP fallen können, dann kann man schon zu dem Schluss kommen, dass gerade die ultrakonservativen Mitglieder dieser Partei durchaus mit Nachdruck darauf hingewiesen werden müssen, dass Frauen vielleicht doch etwas mehr können als Dirndlkleider spazieren zu tragen und selbstgebackenen Kuchen für den Parteitagskaffee in der Nachmittagspause herzustellen. Dass Frauen mehr sind und mehr können, als bloß und ausschließlich das soziale Gewissen zu sein für ein überaltertes Häufchen machtgieriger Herren.

Die Piraten, deren Altersdurchschnitt noch unter dem der Jungen Union liegt, sehen das anders, denn sie sind anders aufgewachsen und sie haben eins wirklich begriffen: Wer sich teilen lässt, der wird beherrscht.

Astrid Steinmann
zusammen mit Christiane Schinkel, Magnus Rosenbaum et al. ;o)

10 Kommentare zu “Gender: Pirat

  1. Deutlich Worte…

    … die eigentlich nicht notwendig, sondern selbstverständlich sein sollten.

  2. Guter Beitrag, danke, du sagts es.

    Hat auch e-laine aus Berlin ähnlich kommentiert:
    „Wir von der Piratenpartei begrüßen es natürlich sehr, dass wir momentan viel kostenlose PR von den deutschen Medien, vor allem von BILD, bekommen. Jetzt wissen es alle in der Republik: Die Piraten haben im Moment ein Aktionspotenzial, das sich eher dem herkömmlichen Attribut männlich zuordnen lässt, als eines, das sich als weiblich oder auf andere Weise ausmacht.

    Und nun kommt eine Prognose, die ebenso gewagt wie realistisch ist:
    Wofür die altbackenen Parteien Jahrzehnte gebraucht haben, nämlich neben Männern auch andere Menschen für Politik zu begeistern, nicht zuletzt unter dem Joch einer künstlichen Geschlechter-Quote, werden wir in so kurzer Zeit schaffen, dass Euch die Spucke weg bleibt. So wie sie Euch auch schon am 18.09.2011 weggeblieben ist. Trinkt in Ruhe ein Glas frisches Wasser. Wir arbeiten einfach weiter. Konzentriert, gesammelt und vereint.

    Frauen, Männer, Jungs, Mädels, Transsexuelle, Transgender, Homosexuelle, MtF, FtM, Hermaphroditen, schwarz, rot, grün, gelb, weiß, lila, das sind wir: Menschen.
    Wir sind bunt und das macht unsere besondere Kraft aus. Jeder Mensch, jede Arbeit, jeder konstruktive Gedanke ist wichtig bei uns. Wir ändern, was gestern noch verkrustet schien, für ein neues Morgen – für eine menschliche, transparente bürgernahe Politik.
    Weil es unser Leben ist. Und weil wir zusammen einfach stärker sind!“
    http://berlin.piratenpartei.de/2011/09/28/danke-bild/

  3. Es geht schon um Gender und nicht um „Sex“… Niemand will, dass ihr die Mitglieder zwingt, Angaben zu ihren Chromosomensätzen, oder der Form ihrer Geschlechtsorgane zu machen. Es geht um die sozialen Rollen „Frau“ und „Mann“, den ganzen Bereich dazwischen, und die Tatsache, dass sich bei euch eine große Mehrheit mit der männlichen Rolle identifiziert.

    • @ Galumpine

      was ist eine „männliche Rolle“? Wird nicht allein mit dem Begriff Verhalten sexualisiert und festgeschrieben? Ist es unmännlich, z.B. abzuwaschen, sauberzumachen oder Kinder zu betreuen? Ist es unweiblich, einen PC nicht nur zu benutzen, sondern auch einzurichten oder modden? Oder ein Auto zu warten?

      Das sind alles Klischees, und wenn man (soziales) Geschlecht als Konstrukt sieht, kommt man nicht umhin, sich von derartigen Zuschreibungen zu verabschieden. Und eben andere Menschen nicht in Rollen zu pressen.

      • Die Beispiele, die du aufzählst gehören natürlich dazu, aber unter Begriffe wie Gender oder Geschlechterrolle fällt halt noch viel mehr, als die Klischees, von denen man sich einfach verabschieden kann. Denk zum Beispiel an unterschiedliche Kleidungsvorschriften im Berufsleben oder an Discothekentüren. Denk an unterschiedliche Erfolgsstrategien beim Flirten, „Frauenberufe“ und „Männerberufe“ oder den Unterschied zwischen Vaterrolle und Mutterrolle. Oder überleg, welche Jungs und welche Mädels in deiner Schulklasse aufgrund welcher Eigenschaften beliebt waren, bzw. umgekehrt, welche gemobbt wurden und warum.

        Man sollte sicherlich aufhören, Leute in Rollen zu pressen, die von Vorneherein beleidigend sind. Aber sowas ist ja auch die Ausnahme. Das Problem ist, dass Gesellschaft ganz ohne Rollen überhaupt nicht funktioniert und deshalb Männer und Frauen auf unterschiedliche Art und Weise durch Geschlechterrollen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. So ähnlich, wie es früher unterschiedliche Rollen für Adel und Volk gab. Das körperliche Geschlecht entscheidet dabei nur, wer welche Rolle bekommt und eben nicht, wie genau die Rolle aussieht.

  4. „Ich bin Mitglied der Piratenpartei. Das heißt, eigentlich bin ich ja ohne Glied“

    Ist das euer Ernst?
    Wollt ihr eure Positionen mit derart abgeschmackter Intimsaloppheit repräsentieren?
    Von einer politischen Partei hätte ich mir einen Diskurs auf einer Ebene erhofft, die etwas höher liegt als ein durchschnittlicher Bravo-Photoroman.

    • Astrid Steinmann

      Ja, das war mein voller Ernst. Eben weil’s mich wirklich nervt, dass oft genug auf primäre Geschlechtsmerkmale reduziert und von dort aus dann ein „besser“ oder „schlechter“ definiert wird. Das geschieht übrigens von beiden Seiten aus. Und genau deshalb dieser leicht pubertär wirkende Einleitungssatz. Ich hoffe, du hast trotzdem weitergelesen.

    • antifa schleching

      versuchen sie es doch einfach mal mit mitdenken , G.A.!!!!!!!!!

  5. antifa schleching

    orwells newspeak
    !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  6. Gondrino

    Der Beitrag bringt es auf den Punkt. Für unsere politische Arbeit ist der Genderbegriff völlig uninteressant. Da können sich ja andere ihren Kopf machen. Ich sehe in der Partei da kein Problem. Und außerdem sollten wir uns sowieso nicht Themen von außen aufdrücken lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert