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Teilen ist das neue Haben

Lasst uns Kultur (Musik) teilen
Lasst uns Kultur (Musik) teilen

Wissen und Kultur war noch nie so umfassend verfügbar, hat noch nie so viele neue Potentiale befruchtet wie heute. Der technologische Fortschritt und die gesellschaftliche Revolution hin zu Demokratisierung in allen Teilen der Welt haben durch die universelle Teilhabe im Netz gewaltig an Fahrt aufgenommen.

Menschen sind dabei kreativer geworden, da Produktionsmittel nicht zuletzt durch die Open Source und Creative Commons Gemeinde, Wikipedia, Crowdsourcing, Filesharing aber allem voran dem freien Code des Netzes, jedem offen stehen. Die Märkte haben sich noch weiter in Nischen, Subkulturen, Genres und Gattungen zwischen dem althergebrachten Buch, MP3-Download und Computerspiel aufgefächert.

So verschwimmen im Netz auch die Grenzen zwischen Urheber und Nutzer, hin zu Menschen, die immer häufiger gemeinsam schöpfen. Neben der digitalen Mündigkeit tritt dazu die Lust der modernen Generation, sich selbst an Remixen und Mashups zu versuchen und dann im Netz unmittelbare Verbreitung zu erfahren. Kunst als Kommunikationsbegriff wird im 21. Jahrhundert zum ersten Mal wahrhaftig kommunikativ, denn sie hat einen Rückkanal gewonnen.

Diese Kreativen sind nicht nur Nutzer, sie sind auch Urheber. Dabei ist die Abgrenzung, ob kommerziell oder nicht, kaum sinnvoll, denn häufig werden ursprünglich nicht kommerziell geplante Werke im Nachgang kommerziell.

Die technologisch bedingte Verbreiterung der Urheberschaft in Deutschland und Europa trifft jedoch auf den breiten Widerstand der alten Kulturindustrien, das Urheberrecht zu reformieren. Die Schranken des Urheberrechtes sind unflexibel – Eine Fair Use Regelung ist in weiter Ferne.

Und natürlich versagen herkömmliche Strukturen und Geschäftsmodelle, die sich auf den Wandel nicht einstellen. Ein Versagen, das auch unmittelbar mit der bisher strikten Trennung von Urheber und Nutzer zusammenhängt, dem größten Dilemma der UrhR Diskussion: Meistens hat der Urheber die schwächste Position – Die Entscheidungen zu Schutzfristenverlängerungen, DRM Maßnahmen und Privatkopien schützen einseitig die eingehegten Interessen weniger Großkonzerne und behandeln so gut wie nie die für Urheber so wichtige Frage nach Zirkulation, Aufmerksamkeit und Autonomie.

Dass jene Angebote, die Praktikabilität, Kopierbarkeit und weltweite Synchronität bieten, auch honoriert werden, zeigt sich gerade in der Musikindustrie. 38 Prozent Wachstum der digitalen Angebote im ersten Quartal des letzten Jahres verheißt Gutes für eine Branche, die die Digitalisierung über eine Dekade verschlafen hatte. Kultur muss zirkulieren und wenn sie begeistert, wird sie honoriert werden. Das tun Menschen gerne, auch wenn die Industrie mit einer abgründigen Kampagnenschlacht das Bild des gierigen, nimmersatten Konsumenten geschaffen hat. Sie hat dieses Bild geschaffen, damit sie weiterhin das Millionenschwere Abmahngeschäft gegen Filesharer aufrecht erhalten kann.

Doch geht es bei dem digitalen Wandel und der Diskussion um das UrhR bei Leibe nicht nur um Werke der Unterhaltungsbranche. Gerade ein Land, das so maßgeblich von seinen Wachstumspotentialen in der Bildung abhängt, braucht offene und durchlässige Bildungssysteme mehr denn je.

Lehrer machen sich strafbar, wenn sie zu umfänglich aus Lehrwerken kopieren, verarbeiten und neu Gestaltetes ihren Schülern digital verfügbar machen. Die digitale Semestermappe, im Ausland längst Normalität, ist in Deutschland verboten.

Großartige Projekte wie die Deutsche Digitale Bibliothek, das Pendant zu Europeana, leiden laut ihrer Bibliothekare am meisten unter eben jenem restriktiven UrhR und den überlangen, längst nicht mehr praktikablen Schutzrechten. Schutzfristen, die in allen Bereichen zu kulturellem Verlust führen.

Freie und offene Lernformate sind international ein riesiger Wachstumsmarkt, nicht aber in Deutschland. Die Kultusminister haben noch nicht mal Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, da die Schulbuchlobby und der Börsenverein des Buchhandels das Feld dominiert.

Äquivalent ist das UrhR Dilemma an den deutschen Unis. In Deutschland beteiligt sich keine einzige Uni am weltweit wachsenden OpenCourseWare Consortium, dessen Angebot mittlerweile den freien Zugang zu digitalisierten Vorlesungen von über hundert Universitäten umfasst.

Wir Piraten wollen nicht nur das Urheberrecht umfassend reformieren, sondern auch das Vertragsrecht, das den Schöpfern von Filmen, Büchern, Fotos und Musik mehr Rechte an ihren eigenen Werken einräumt. Und wir wollen Verwertungsgesellschaften wie die GEMA grundsätzlich reformieren, damit nicht nur die großen Fische im Business, die bereits gut über den Verkauf ihrer Werke verdienen, noch mehr bekommen.

Solidarität für die Schwachen ist ein Prinzip, dass gerade den Kulturindustrien gut zu Gesicht stehen würde. Wir wollen, dass Kultur und Wissen zirkulieren kann. Kultur und Wissen, das niemand mitbekommt, existiert nicht.

Dem gegenüber wollen wir Urheber stärken, den Zugang zur Künstlersozialkasse erleichtern, Transparenz, Basisbeteiligung und Solidarität bei den Verwertungsgesellschaften schaffen und bei der Entwicklung neuer, direkter Vertriebsmodelle im Netz unterstützen.

Wir müssen dafür sorgen, dass UrhR im Internet unwichtig wird. Wir brauchen eine Kultur der offenen Bildung und ein Menschenbild, das auf ein faires Miteinander statt Restriktion baut.

Wir stehen für ein Menschenbild der Solidarität, Freiheit und Entfaltung, für das Recht auf Teilhabe an Bildung, Wissen und Kultur, denn Teilen ist das neue Haben!

Dieser Beitrag wurde von Bruno Kramm für den Kaperbrief Bayern verfasst. Symbolbild von Ed Yourdon unter der CC-BY-SA

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