Die Freien Wähler haben selbst nachrechnen lassen und kommen auf Kosten von 2,6, ggf. sogar bis zu 3,9 Mrd. Euro für die zweite Stammstrecke. Aber eigentlich ist es irrelevant, auf welche Höhe man die Kosten am Ende hochrechnet.
Denn schon bei den seitens der Bahn offiziell veranschlagten Kosten von 2,433 Mrd Euro ist der 2. Stammstreckentunnel mausetot. Zumindest, wenn man die aktuelle Fördergesetzgebung einhält und sich nicht – wie Staatsminister Zeil – alle Mühe gibt, auf den letzten Metern vor der Abwahl noch wegen Untreue oder Subventionsbetrug angreifbar zu werden.
Die Stammstrecke wird aus dem GVFG, dem Gemeindeverkehrswegefinanzierungsgesetz, gefördert. Doch ein zentrales Förderkriterium ist, dass das Projekt einen Nutzen-Kosten-Faktor (NKF) größer oder gleich 1 hat. Der NKF wird durch eine standardisierte Nutzen-Kosten-Untersuchung ermittelt.
Wer will, kann sich folgenden Abschnitt der Wikipedia (abgerufen am 27.02.2012) auf der Zunge zergehen lassen:
Das Vorhaben soll durch eine Mischfinanzierung ermöglicht werden. Der Bund ist dabei mit 60 % (derzeit 960 Mio. €) der gesamten Baukosten (1,6 Mrd. €) eingeplant. Ob er jedoch tatsächlich einen Beitrag leistet, hängt vorrangig von der Kosten-Nutzen-Bilanz der neuen Stammstrecke ab. Auf der Grundlage der bis 2007 bestehenden Planungen waren Kosten von mindestens 1,85 Mrd. € zu erwarten. Dem Landtag hatte das Ministerium im Juni 2007 mitgeteilt, dieses Ergebnis mache Bundeszuschüsse unmöglich, da der Kosten-Nutzen-Faktor zu gering sei.
Der Verzicht auf ein elektronisches Stellwerk und die Verkürzung der Tunnelstrecke um 500 m sanken die geplanten Kosten von 1,85 auf 1,6 Mrd. € und veränderten den Kosten-Nutzen-Faktor damit zugunsten des Ausbaus auf 1,18.
Wirtschaftsminister Zeil (FDP) warf im Landtag mit der Behauptung um sich, die Grünen wären nicht der einfachen Arithmetik fähig. Wenn man also diese hohe Zahlenkunst anwendet, dass 1,85 Mrd. einen NKF kleiner 1 ergeben, und man bei 1,6 Mrd Euro einen NKF von 1,18 erreicht, dann errechnet man durch die Umstellung der Formel Nutzen durch Kosten gleich NKF einen volkswirtschaftlichen Nutzen von maximal 1,888 Mrd. Euro. Wenn man diesen Nutzwert nun durch 2,433 Mrd. Euro teilt, erhält man einen NKF von 0,77, also deutlich kleiner als 1. Bei 2,6 Mrd Euro wären es 0,72 und bei 3,9 Mrd Euro 0,48. Zumindest bei dieser vereinfachten Betrachtung.
Somit wäre die Förderfähigkeit durch das GVFG nicht mehr gegeben, und der Anteil des Bundes würde entfallen: Damit schlagen die Kostensteigerungen doppelt zu.
Minister Zeil wäre gut daran beraten, zuerst mal stichhaft nachzuweisen, dass sein Tunnel, auch mit 2,433 Mrd. Euro einen NKF größer 1 besitzt, bevor er sich zu 2,6 Mrd. Euro der Freien Wähler äußert. Die Piraten werden im Landtag nach der Landtagswahl dazu einen Untersuchungsausschuss initiieren, um die Kostensteigerungen und Verzögerungen bei der Verbesserung des S-Bahn-Systems durch das Festhalten an der zweiten Stammstrecke parlamentarisch zu untersuchen.
Symbolbild: Kaffeeeinstein – CC-BY-SA
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Andreas Witte geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
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