Liest man die Schlagzeilen im lokalen Sportteil, scheint es gerade in unteren Fußball-Ligen verstärkt Probleme mit Gewalt zu geben. Gerne wird in diesem Zusammenhang auf Sportvereine verwiesen, die nicht unbedingt einen typisch deutschen Vereinsnamen führen. Sie heißen z.B. „Iliria“, „Academy Africa“ oder „Türkspor“ und werden von den Medien und der Politik häufig als „Migrantensportvereine“ oder „ausländische Sportvereine“ bezeichnet, um die Ausgrenzung auch wirklich für alle deutlich zu machen.
In Onlineforen und an Stammtischen lese oder höre ich dann die entsprechenden unschönen und oftmals unverblümt rassistischen Kommentare hierzu. Das Vorurteil, das hier entstanden ist: Diese Sportvereine sind das Problem, weil hier Menschen mit fremdländischen Wurzeln zusammenspielen. Das ist schlicht falsch! Mit dieser Sichtweise lösen wir das Problem zunehmender Gewalt auf unseren Fußballplätzen nicht – wir verschärfen es.
Aber was macht die Politik? Was machen die Verbände? Was machen die etablierten Parteien? Sie gehen genau den falschen Weg! „Migrantenvereine sind nicht integrationsförderlich“ (Martin Neumeyer – Integrationsbeauftragter der CSU), „Migrantenvereine sind nicht unbedingt gut für die Integration“ (AK Migration – SPD München). Hinzu kommen fragwürdige Integrationskonzepte der Sportverbände („Integration durch Sport“ – DOSB, BLSV und DFB) mit dem Ziel, dass die Mitglieder der sogenannten Migrantenvereine in die etablierten Vereine eintreten.
Diese ständige Differenzierung zwischen “etablierten Sportvereinen” und sogenannten “Migrantensportvereinen” betont ethnische Unterschiede und verschärft eher das Problem. Denn letzlich handelt es sich viel eher um ein soziales Problem: es geht um Bildung, um Dialog, um Teilhabe.
Auf ihrem letzten Parteitag haben sich die Piraten für eine Abkehr von der Integration hin zur Inklusion ausgesprochen. Denn eine Integration gegen den freien Willen der Betroffenen ist keine Inklusion, sie ist als Zwangsvereinheitlichung abzulehnen. Globale Inklusion bedeutet, Raum zu schaffen für Menschen jeglicher Herkunft mit dem Ziel, ihre gesellschaftlichen Eigenheiten und Mentalitäten, Sprachen und kulturellen Identitäten zu bewahren und zu pflegen. Statt Vereinheitlichung und Egalisierung unserer kulturellen Vielfalt befürworten die Piraten eine weltoffene Gesellschaft.
Konktret bedeutet dies für mich, dass die etablierten Sportverbände fremd klingende Vereine endlich ernst nehmen und sie nicht mehr auflösen wollen. Oft bestehen diese Vereine seit über 20 Jahren, wir müssen endlich lernen, respektvoll mit ihnen umzugehen.
Es geht darum, den ersten Schritt zu machen und auf diese Vereine zuzugehen, um Misstrauen abzubauen und ihnen so auch die Ausreden zu nehmen. Denn natürlich ist es bequem, wenn man eine Verteidigungshaltung einnehmen kann. Wir haben ein Problem, aber dies können wir nur gemeinsam lösen. Kritik muss dabei konstruktiv sein, denn wir alle haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen die Gewalt auf und um Fussballplätze eindämmen.
Ein Pirat, der sich schon lange mit diesem Thema beschäftigt, ist Ali Yalpi aus München. Als Spieler und in Vorstandsfunktionen war er sowohl in „etablierten Vereinen” als auch in neu gegründeten Vereinen aktiv. Inzwischen arbeitet er als ehrenamtlicher Konfliktmagager beim Bayerischen Fußball-Verband. In dieser Funktion musste er feststellen, dass die Fortschritte bezüglich Gewalt auf unseren Fußballplätzen nicht nennenswert sind. Im Gegenteil: Trotz zahlreicher ausgelobter Integrationspreise hat die Gewalt eher noch zugenommen.
Daher plädiert er dafür, dass wir unsere Sichtweise auf die “Migrantensportvereine” fundamental ändern, wenn wir das Problem in den Griff bekommen wollen. Diese Vereine sind nicht Teil des Problems – aber definitiv Teil der Lösung. Dabei braucht es keine weiteren tollen Integrationspreise für Projekte, durch die sich einzelne Individuen profilieren, sondern Konzepte, die eine breite gesellschaftliche Wirkung entfalten.
Eine Möglichkeit, sich über die Fehlentwicklung falschverstandener Integration zu informieren und über konstruktive Gegenkonzepte zu diskutieren, besteht am kommenden Samstag. Der Pirat Ali Yalpi wird ab 14 Uhr auf einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema im bayerischen Landtag vertreten sein. Ich würde mich über viele Besucher freuen.
Zu dieser von der grünen Landtagsfraktion ausgerichteten Veranstaltung wurden „Neuvereine“ aus ganz Bayern eingeladen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, über ihre Erlebnisse zu berichten – aus ihrer Perspektive. Denn der erste Schritt in einem offenen Dialog ist: Zuhören!
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Florian Deissenrieder geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
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