Für uns Piraten war es natürlich nie anders! Nun hat auch der Bundesgerichtshof (BGH) am 24. Januar 2013 entschieden: das Internet ist „…für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von typischer Bedeutung”. Anlass für diese Entscheidung hat ein bayerischer Rentner gegeben, der wegen Fehlern bei einer Tarifumstellung durch 1&1 für zwei Monate lang seinen Internetanschluss nicht nutzen konnte. Es wurde ihm Schadensersatz für den Nutzungsausfall zugesprochen.
Klingt irgendwie logisch, ist allerdings rechtlich gesehen als Grundsatzurteil von entscheidender Bedeutung. Ein Nutzungsausfall ist nämlich erst dann ein Vermögensschaden, wenn es um Wirtschaftsgüter von zentraler Bedeutung geht, auf deren ständige Verfügbarkeit man angewiesen ist und auf die der Betroffene während des Ausfalls grundsätzlich hätte zugreifen können. Da es nur um im Alltag unverzichtbare Güter geht, fielen darunter bisher nur das Auto und die Wohnung. Die Höhe des Anspruchs hängt dabei von der Höhe des Schadens ab, der durch den Ausfall entstanden ist. Dieser wird bei beruflicher Nutzung wesentlich höher sein wird als bei rein privater.
Sehr interessant und positiv ist dabei die ausführliche Begründung des BGH. Er stellt die mittlerweile außerordentliche Bedeutung des Internets mit den daraus entstandenen Möglichkeiten fest. Er hebt dabei hervor, dass im Netz weltweit umfassende Informationen zu thematisch nahezu allen Bereichen zur Verfügung gestellt werden, egal ob nur zu Unterhaltungszwecken oder für die hochwissenschaftliche Informationsbeschaffung.
Überraschenderweise wird als weiterer Grund ausdrücklich anerkannt, dass durch die leichte Verfügbarkeit der Informationen über das Internet zunehmend andere Medien wie Lexika, Zeitschriften und das Fernsehen ersetzt werden. Ein unaufhaltsamer Prozess, der insbesondere das Urheberrecht, wie es aktuell praktiziert wird, in eine Legitimationskrise gestürzt hat. Denn es wurden von Anfang an die Möglichkeiten der Vervielfältigung und Verbreitung von digitalen Gütern ignoriert, weshalb man nun Jahre später versucht, mittlerweile Alltägliches in Gesetze zu zwängen. Aber vielleicht gibt ja die Anerkennung dieser tragenden Rolle des Internets neue Hoffnung auf eine Gesetzesentwicklung, die solche Möglichkeiten nicht noch weiter einschränkt.
Der BGH geht nämlich nicht nur auf die Inhalte und deren Verfügbarkeit ein, sondern sieht auch die Bedeutung der alltäglichen Kommunikation über Foren, Blogs und sogar soziale Netzwerke. Für gewerbliche oder berufliche Belange sei es zudem nicht mehr wegzudenken, und auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten findet zunehmend über das Internet statt. Mit dem Schlussatz wird dann festgestellt:
Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.
Das Informationszeitalter macht sich langsam und zögerlich im Verfassungsrecht durch das seit 2008 entwickelte „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ (kurz: „Computer-Grundrecht“) und nun auch im Zivilrecht durch die Anerkennung von Schadensersatz, wenn das Netz ausfällt, bemerkbar. Das ist einerseits erfreulich, diese Beispiele sind ein Schritt in die richtige Richtung. Andererseits gibt es noch sehr viel zu tun, um die Rechtslage mit den heutigen Gegebenheiten und Möglichkeiten einer Informationsgesellschaft in Einklang zu bringen.
Genau aus diesem Grund will ich mich mit den Piraten dafür einsetzen, dass die Themen, die durch das Internet und die technische Entwicklung grundlegend beeinflusst werden, endlich zeitgemäße Anpassungen erfahren. Die Piratenpartei hat für mich deshalb auch nach Niederlagen eine alternativlose Daseinsberechtigung.
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Anna Lang geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
Ich teile ja die positive Einschätzung des Urteiles, aber es ging um einen Schadenersatz eines bereits vorhandenen Dinges das wegfiel. Das wirft insgesamt ein etwas anderes Licht auf den Fall als es hier erscheint.
Ich frage mich ja ob das auch Einfluß auf die Legalität von Three-Strikes hat.
Grundsatzurteile des BGH haben immer Potential für weiterreichende Folgen. Sicherlich ist es in diesem Rahmen ein kleiner Erfolg, aber die Begründung gibt dem Internet eine klare Wertschätzung, die so noch nicht oft schriftlich festgehalten wurde von höchster Instanz. Dieser Kommentar soll zwar Hoffnung auf gesetzgeberischen Änderungswillen geben, aber vor allem auch einen Appell aussprechen, dass wir den Prozess eindeutig noch ankurbeln müssen. Ein Anspruch auf Internet als Grundversorgung wird es wohl im moment wegen dem Telekommunikationsgesetz nicht geben. Aber der Weg geht dennoch in diese Richtung, es fehlt nicht viel um das auch noch in Stein zu meißeln.. also ich bin gepannt.