Vor zwei Wochen fanden erneut dutzende Demonstrationen gegen das umstrittene EU-Forschungsprojekt INDECT statt. Die Teilnahme, sowie die mediale Resonanz war jedoch gewohnt dürftig.
Was ist INDECT?
INDECT steht für “INtelligent information system supporting observation, searching and DEteCTion for security of citizens in urban environment” (“Intelligentes Informationssystem, das Überwachung, Suche und Entdeckung für die Sicherheit von Bürgern in einer städtischen Umgebung unterstützt”). Es ist ein Forschungsprojekt der Europäischen Union, startete 2009 und soll 2013 abgeschlossen sein.
Das Projekt will eine Bündelung von Hard- und Software verschiedenster Überwachungstechnologien erreichen. Dabei sollen Computersysteme selbst verdächtiges Verhalten erkennen und melden.
Das Forschungsprojekt hat aktuell einen finanziellen Rahmen von 14,9Mio. € und der Projektstatus ist auf „Execution“ gesetzt.
Wurde INDECT bisher eingesetzt?
„Angeblich“ wurden die bestehenden Kameras in London (CCTV) an das INDECT-System gekoppelt. Ebenso gibt es Hinweise, dass einzelne Teilsegmente von INDECT in Polen zur Fußball WM eingesetzt, bzw. getestet wurden. Die zuständige EU-Komission hat dies jedoch verneint.
Deutliche, bzw. verlässliche Aussagen seitens der Forscher könnten helfen, die Wogen etwas zu glätten. Davon gibt es leider jedoch nur wenige. Zumal ein falsch eingesetzter und total fehlbesetzter Ethikrat alle Informationen nach aussen filtert.
Wer ist verdächtig?
Eine Umfrage unter polnischen Polizisten sollte die Grundlage der Erkennung schaffen. Und seitdem ist man für INDECT in folgenden Verhaltensmuster auffällig:
- Bewegung in die “falsche” Richtung
- “Herumlungern”
- Treffen von mehr als X Personen
- Laufen, Rennen, Joggen
- Gepäck vergessen
- Herumsitzen, länger als die Dauer X
- Schreien
- fluchende Personen
Man ist also in nahezu jeder Situation verdächtig. Wer im öffentlichen Nahverkehr auf dem Fußboden sitzt, zu lange mitfährt oder sein Gepäck vergißt, muß mit Maßnahmen der Sicherheitskräfte rechnen. Genauso verdächtig sind “herumlungern”, sich mit zu vielen Personen treffen und fluchen.
Wie wird INDECT uns beeinflussen?
INDECT wird Ergebnisse bringen. Daten jedes Bürgers aus sämtlichen Datenquellen miteinander verknüpfen und auswerten können. Eigenständig verdächtiges Verhalten auf der Straße registrieren und melden können.
Mit INDECT wird man versuchen, vorauszusehen, wo Protest aufkommen könnte – im Idealfall bevor es die Protestierenden selbst wissen. INDECT ist ein Instrument, von dem man sich Einschüchterung, vor allem aber Kontrolle verspricht. Eine Möglichkeit, die Kontrolle zu behalten, ohne auf den Menschen Rücksicht nehmen zu müssen.
- INDECT will wissen, was wir tun, bevor wir es selbst wissen
- INDECT wird unsere Gesellschaft nachhaltiger verändern als jede andere Überwachungsmaßnahme bisher
- INDECT wird definieren, was Normalität ist
- INDECT ist der Alptraum von George Orwell
INDECT auch in Deutschland?
Aktuell sehe ich keine rechtliche Grundlage in der deutschen Rechtssprechung, die ein Überwachungssystem diesen Ausmaßes erlaubt. Jedoch wird auch hierzulande, fast unentdeckt, der Weg dazu geebnet.Zuletzt wurde ohne Diskussion im Bundestag eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes durchgewunken. Drohnen dürfen jetzt auch offiziell in Deutschland eingesetzt werden.
Die größte Wahrscheinlichkeit liegt jedoch darin, aus INDECT einen Exportschlager zu machen. Immerhin steckt auch viel Technologie aus Deutschland drin. Denn, unter Rainer Brüderle (FDP) als Wirtschaftsminister, definierte das Wirtschaftsministerium in einem Grundsatzpapier „Zukunftsmarkt Zivile Sicherheit“:
…die Ausfuhr solcher Technologie als Kernziel deutscher Exportpolitik…
Der aktuelle Wirtschaftsminister Philpp Rösler sieht keinen Grund daran etwas zu ändern.
Wie können wir INDECT stoppen?
Wir können INDECT nicht stoppen. Wir können aber unser Lebensumfeld zu INDECT informieren und somit die Aufmerksamkeit darauf lenken um dieses System mehr und mehr ins öffentliche Licht zu tragen. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Regensburg bietet aktuell allen Interessierten hierzu eine Vortragsreihe zum Thema „Freiheit vs. Sicherheit“ an.
Am kommenden Samstag, den 03.11.2012 werde ich zum Thema INDECT einen Vortrag halten. Ich freue mich auf reges Interesse.
Gasthaus Gravenreuther
Hinter der Grieb 10
93047 Regensburg
Beginn: 19:30Uhr
Und dann gibt es noch Überwachungstechniken, die zur Waffe gegen harmlose BürgerInnen werden können: http://www.findefux.de/forum/read.php?84,6764,6764#msg-6764 und ein Geheimprojekt in 90562 Kalchreuth bei Erlangen/ Nürnberg. Beweise dazu sind vorhanden.
Mal ein ganz abwegiger Vergleich…
Ich hab auf meinem Rechner einen Virenscanner laufen.
Der nervt mich manchmal extrem wenn er irgendeine Aktion die ich durchführe als Sicherheitsverstoss wertet und ist mir sehr suspekt was das ausspionieren meiner Daten angeht.
Aber trotzdem würde ich meinen Windows-PC nie ohne Virenscanner laufen lassen.
Solche Systeme wie INDECT kommen. Das ist sicher wie das Amen in der Kirche.
Die Frage die sich stellt ist: Sollte man sowas sofort generell bekämpfen oder wäre es nicht sinnvoller konstruktiv Einfluss auf die Erstellung solcher Systeme zu nehmen?
Zitat von oben:
„INDECT wird unsere Gesellschaft nachhaltiger verändern als jede andere Überwachungsmaßnahme bisher“
Dann wird es Zeit, dass die Piratenpartei im Bundestag sitzt und Einfluss auf die Entwicklung von INDECT nimmt. In welcher Partei sitzen sonst so viele EDV-Experten?
INDECT könnte auch die Staatsgewalten überwachen. Das wäre mal dringend nötig!
Die Piratenpartei könnte dafür sorgen, dass aus INDECT ein Linux wird und kein Windows…
Falls es so nicht läuft werden in 10 Jahren sicher viele Menschen ab und zu lange fluchend herumsitzen und dabei viele Menschen treffen die laut schreiend durch die Stadt laufen. 😉