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Das ZDFGate und die scheinheiligen Lippenbekenntnisse

Foto: Surfguard - CC-BY-NC-SA
Foto: Surfguard - CC-BY-NC-SA

Man könnte schon fast sagen „mal wieder“: Die CSU, genauer gesagt ihr Pressesprecher, hat versucht, auf die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien Einfluss zu nehmen. Diesmal waren es Anrufe bei ARD und ZDF, die verhindern sollten, dass über den Landesparteitag der bayerischen SPD berichtet würde.

Seither überschlagen sich die Schlagzeilen. Der Pressesprecher der CSU ist weg; der Bauer wurde geopfert. Es half der CSU nur wenig: Das Thema köchelte weiter und auch die Pressesprecherin des bayerischen Finanzministers Söder geriet in die Schusslinie. Auch sie hatte – wohl mit Erfolg – Druck ausgeübt. Zumindest liegt der Verdacht nahe, dass der Bayerische Rundfunk seine Berichterstattung aufgrund des Drucks geändert hat. Wenig später wurden seitens der Grünen und der Jungen Liberalen personelle Konsequenzen gefordert.

Ich würde ihnen gerne zustimmen. Nur – sollten wir dann nicht gleich bei allen Parteien vor der Türe kehren? Was ich damit meine? Nun, warum ist es überhaupt möglich, dass der Anruf eines Pressesprechers der CSU beim ZDF als „Ausübung von Druck“ interpretiert werden kann?

Möglicherweise liegt es daran, dass sein direkter Vorgesetzter, der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, im ZDF-Fernsehrat sitzt, dem obersten Kontrollgremium dieses Senders. Er bestimmt die Senderichtlinien, wählt den Intendanten aus und berät ihn in Programmfragen. Und Dobrindt ist nicht der einzige prominente Spitzenpolitiker in diesem Gremium. Ganz im Gegenteil, es ist überaus prominent besetzt.

Mitglieder sind unter anderem:

  • Eva Christiansen (CDU), Leiterin des Stabs Politische Planung im Kanzleramt
  • Philipp Rösler (FDP), Bundeswirtschaftsminister
  • Martin Zeil (FDP), bayerischer Wirtschaftsminister
  • Hermann Gröhe, Generalsekretär der CDU
  • Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU
  • Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen
  • Rainer Brüderle, Fraktionsvorsitzender der FDP
  • Patrick Döring, Generalsekretär der FDP

Die Liste wichtiger Minister, Leiter von Staatskanzleien und hochrangiger Parteifunktionäre aus allen Parteien ist lang. Wer sie durchgeht, muss sich schon wundern, wie es überhaupt eine unabhängige Berichterstattung beim ZDF geben kann.

Richtig ist es durchaus, die Kontrolle des Programmes der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten einer unabhängigen Kontrolle von relevanten gesellschaftlichen Gruppen zu unterwerfen. Richtig ist auch, dass man hierzu Vertreter der Parteien in in solche Gremien lässt. Geradezu unanständig wirkt es, wie die sehr die Parteien darauf achten, diese Posten mit aktiven Parteipolitikern besetzen, die überwiegend mit den politischen Strategieplanungen der Parteien und Staatskanzleien befasst sind.

In ein solches Gremium gehören Menschen, die Parteien durchaus nahe stehen, jedoch im Zweifelsfall in ihre Entscheidungen unabhängig treffen können sollten. Zum Beispiel könnte man in Rente gegangene Medienpolitiker oder ehemalige Spitzenpolitiker entsenden. Möglich wären auch den jeweiligen Parteien nahestehende Journalisten. Auf jeden Fall aber gehören aktive Minister, Staatssekretäre und Generalsekretäre nicht in dieses Gremium. Für mich liegt der Grund ihrer Entsendung in solche Gremien auf der Hand – Die Berichterstattung soll beeinflusst werden.

Die Forderungen der Grünen, FDP und aller anderen Parteien in Richtung CSU kann ich also nicht ganz ernst nehmen. Wenn das ZDF wirklich unabhängiger werden soll, müssen wir die Gesetzeslage ändern. Wer ein Amt in einer Partei oder einer Regierung innehat, sollte nicht in einem Aufsichtsrat von ARD oder ZDF sitzen dürfen. Dies würde die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehen wirklich stärken. Der Austritt Dobrindts wäre nur ein symbolischer Akt, denn er würde ja sicherlich entsprechend ersetzt werden.

Solange alle Parteien mit der – für mich unanständigen – Entsendung aktiver Parteipolitiker, die zum Großteil mit der politischen Strategieplanungen ihrer Parteien, Staatskanzleien oder Regierungen beschäftigt sind, weitermachen, wirken ihre Angriffe auf einzelne Personen im Namen der Pressefreiheit unglaubwürdig.

Falls die Parteien sich darauf nicht in einem überparteilichen Konsens einigen können, so muss man so eine Regelung eben gesetzlich festlegen. Das wäre eine konsequente und richtige Schlussfolgerung aus den Vorfällen. Rücktrittsforderungen sind vor allem eins: Scheinheilige Lippenkenntnisse.

Symbolbild: Foto: SurguardCC-BY-NC-SA

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Benjamin Stöcker geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

4 Kommentare zu “Das ZDFGate und die scheinheiligen Lippenbekenntnisse

  1. Martin Jäger

    Ich bin nicht ganz deiner Meinung. Die öffentlich rechtlichen Sender sollten schon von der Öffentlichkeit kontrolliert werden, d.h. es müsste in den Kontrollgremien von jeder Partei ein Vertreter sitzen und am besten noch von den Gewerkschaftsvberbänden und den Kirchen…einfach etwas Repräsentatives Die sollen sich dan gegenseitig auf die Finger schauen. Das ganze am Besten öffentlich.

    • Benjamin Stöcker

      Das ist derzeit der Fall und ich möchte ja nur ändern, WEN die Parteien entsenden können. Ich hätte nichts gegen einen Joshka Fischer im Fernsehrat. Ich habe etwas gegen einen Cem Özdemir. Mir geht es darum, dass derzeit im Fernsehrat genau die sitzen, die Aktiv die Politik entscheiden. So ist keine Distanz gegeben.

  2. Katzophon

    Das ist doch was für eine Antikorruptionsinitiative! …keine aktiven Politiker in Spitzenpositionen bei Banken, Versicherungen, Krankenkassen, Konzernen jeder Art, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Zeitungen, etc.

    Politik soll schließlich kein „lohnendes Geschäft“ sein, sondern eine Verpflichtung dem Volk gegenüber!

  3. Calico Jack

    Ich sehe es aber auch so: ein paar aktive Politiker dürfen schon drin sein aber die überwiegende Mehrheit sollte unabhängig sein (idealerweise sogar parteilos). Den Traum vom Kundenvertreter (= Zuschauer) träume ich schon lange. Achja, wie war das damals gleich wieder mit Roland Kochs lupenrein demokratischer Initiative, Intendant Nikolaus Brender im Nov.2009 seine künstlerische Freiheit durch Freigabe seiner Pflichten genießen zu lassen? Naja, olle Kamelle vermutlich

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