Kultur

Präambel

Wir treten für eine offene, vernetzte und für alle Menschen zugängliche Kultur ein: für eine Kultur, die uns in Toleranz, Respekt und gesellschaftlicher Teilhabe einander näher bringt. Für eine Kultur, die keiner Deutungshoheit unterworfen ist und jedem Menschen in unserer Gesellschaft zur freien Mitgestaltung offensteht. Für uns ist Kultur in allen Facetten, digital wie analog, gleichberechtigt, sinnvoll und förderungswürdig.

Unsere Kulturpolitik bedeutet vor allem Vernetzung; Vernetzung von Menschen, Ideen und Ressourcen. Kunst und Kultur sind nicht „brotlos“ oder „leider sehr teuer“, sondern die Grundlage unserer Zivilisation. Die kulturellen Gegebenheiten der zentralen Orte in Bayern lassen sich häufig alleine durch kluge Ressourcenverteilung und überlegtes, bürgernahes Management verbessern. Kultur muss vielfältig und reichhaltig sein und sich frei entfalten können, denn sie ist der Nährboden unserer Gesellschaft; sie ist nichts, woran man öffentliche Gelder, die an anderer Stelle fehlen, wieder einsparen kann. Wir stehen für die Idee, dass jeder Mensch ein kreatives Potenzial und kulturelle Interessen hat, das es zu unterstützen und zu fördern gilt, und dass Kultur – ganz wie das Internet – grundsätzlich offen angelegt sein sollte. Dafür werden wir uns im Landtag einsetzen

Plattformneutralität – auch für Kunst und Kultur

Der Kern unserer Politik ist die Plattformneutralität. Für die Kulturpolitik bedeutet dies, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollen, Kunst und Kultur zu genießen und auch selbst zu schaffen, sei es im analogen oder im digitalen Raum. Die aus Landesgeldern geförderten überregional bedeutsamen Kulturbetriebe werden wir in die Pflicht nehmen, sich direkt vor Ort in ihren Kommunen zu engagieren. Wir werden Anreize für eine Vernetzung verschiedener Kunst- und Kulturschaffenden in kommunalem und überregionalem Kontext und zwischen Kulturpolitikern und -ämtern schaffen, um dadurch ein lebendiges Miteinander und Synergieeffekte zu fördern.

Transparente Kulturförderung

Grade die Kulturförderung in Bayern ist intransparent, bürokratisch und unübersichtlich, zudem schafft sie ein Konkurrenzverhältnis der einzelnen Kultursparten untereinander. Wir werden im Landtag dafür sorgen, dass die staatliche Kulturförderung und -subvention der vielfältigen Kulturlandschaft Bayerns gerecht wird.

Positive Verstärkung

Die momentane Vergabepraxis bei finanziellen Förderungen auf Landesebene ist intransparent, langsam und verwaltungsintensiv. Deshalb werden wir eine auflagenunabhängige Sockelförderung einführen, die jedoch nur einen Teil der laufenden Betriebskosten abdecken kann, weswegen weitere Zuschüsse für die künstlerische Arbeit vergeben werden müssen. Diese Zuschüsse werden nach einem festen Punktesystem vergeben und honorieren zum Beispiel interkulturelle Vernetzung, kommunales Engagement, Jugendarbeit und Ähnliches. Diese positive Verstärkung verschlankt den Verwaltungsapparat auf Landesebene, wodurch wiederum mehr Mittel für die eigentliche Kulturförderung freigemacht werden können. Die großen Kulturinstitutionen sollen sich unter anderem auch als infrastrukturelle Zentren der lokalen Kunst- und Kulturszene verstehen.

Stärkung der freien Kunstszene

Freischaffende Kunstproduzierende werden durch die momentane Vergabepraxis deutlich benachteiligt. Wir werden die Förderrichtlinien derart anpassen, dass freie Kunstkollektive und Einzelpersonen eine reelle Chance auf projektbasierte finanzielle Förderung haben.

Gleichberechtigte Kunstschaffende in Gremien

Wir werden uns im Landtag dafür einsetzen, dass die Gremien für die Fördervergabe je zur Hälfte mit bayerischen Kulturschaffenden und Mitgliedern der Kulturverwaltung besetzt werden. Damit wollen wir die Vergabe öffentlicher Mittel transparenter gestalten und Vernetzung fördern.

Vernetzung und Ressourcenbündelung

Neben der Transparenz ist Vernetzung und das geschickte Bündeln von Ressourcen im Kulturbereich eines unserer Ziele im Landtag. Durch die spartenübergreifende Kommunikation werden wir die Kultur in Bayern zeitgemäß fördern und Energien und finanzielle Mittel sinnvoll bündeln .

Überregional fördern, kommunal agieren

Die durch Landesmittel geförderten Kulturinstitutionen sind für die örtliche Gemeinschaft von zentraler Bedeutung. Die Vernetzung der Kulturbetriebe untereinander, sowie der Dialog mit der freien Szene sowie der engagierten Laienkultur werden wir ausbauen. Es ist unser erklärtes Ziel, die Unterscheidung von Hoch-, Laien-, Sozio- und Populärkultur einzuebnen und statt eines kommunikationslosen Nebeneinanders ein fruchtbares und inspirierendes Miteinander freier Kulturprojekte, etablierter Kulturinstitutionen und kommunaler Soziokultur zu etablieren.

Dezentralisierung und Nachhaltigkeit

München genießt in der momentanen Kulturpolitik Bayerns einen besonderen Förderstatus. Im Landtag möchten wir uns hingegen für eine Förderung und den Ausbau von kulturellen Vorhaben in allen Teilen Bayerns einsetzen. Zu diesem Zweck schlagen wir viele kulturelle Zentren vor, manche mit überregionalem, manche mit ausschließlich kommunalem Bezug. Des Weiteren ist eine bessere Vernetzung von Kommunen, Bezirken und dem Freistaat bei der Kulturförderung unumgänglich. Ziel ist eine nachhaltige Kulturentwicklung und Ideensammlung in Zusammenarbeit mit bayerischen Kunstschaffenden, den Kommunen, freien Trägern, Jugendkulturgruppierungen und Institutionen der öffentlichen Hand.

Kulturelle Zwischennutzung leerstehender Gebäude

In vielen bayerischen Städten stehen Wohn- und Geschäftshäuser, ehemalige Fabriken oder öffentliche Gebäude leer; zugleich gibt es viele Kulturschaffende, die an einer zeitlich befristeten Raumlösung für ihre Ateliers, Proberäume, Aufführungsstätten, Co-Working Spaces, Hackerspaces und Ähnliches interessiert sind. Wir werden uns dafür einsetzen, dass öffentliche leerstehende Immobilien für künstlerische und kulturelle Zwecke zur Zwischennutzung bereitgestellt werden. Zusätzlich werden wir versuchen Immobilienbesitzende zu motivieren, ihre Immobilien für künstlerische oder kulturelle Zwischennutzung zur Verfügung zu stellen.

Erprobung neuer Individualförderungskonzepte

Wir werden uns im Landtag dafür einsetzen, dass die Entwicklung und Erprobung neuer progressiver Finanzierungskonzepte wie beispielsweise Crowdfunding öffentlich gefördert werden. Privatpersonen sollen hierdurch die Möglichkeit erhalten, unmittelbar den Kulturbetrieb zu unterstützen.

Kulturelle Teilhabe

Kultur muss unabhängig von sozialem oder finanziellem Status genossen und aktiv mitgestaltet werden können. Daher muss eine regelmäßige aktive Teilhabe an vielfältigen Kulturereignissen allen Menschen möglich sein. Dazu gehört nicht nur die Verfügbarmachung von Kulturgut unter Creative-Commons-Lizenzen und die Digitalisierung von kulturellen Erzeugnissen, sondern auch kulturelle Bildung für alle.

Open Commons

Wir werden im Landtag auf eine Ausweitung der Anwendung des Prinzip der „Open Commons“ drängen: Die öffentliche und gebührenfreie Verbreitung von Ergebnissen oder Erzeugnissen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Für die Kulturbranche bedeutet dies, dass kulturelle Erzeugnisse wie Musik, Theater, Literatur, Malerei und Tanz digital archiviert, und der Öffentlichkeit gebührenfrei zugänglich gemacht werden sollen.

Freie Lizenzen wie die Creative Commons bieten Kunstschaffenden zudem eine alternative Möglichkeit, ihre Werke einfach, flexibel und ohne bürokratischen oder finanziellen Aufwand nach eigenen Wünschen zu schützen.

Kultur in ländlichen Gebieten

Gerade im ländlichen Bereich gibt es ein reiches Kulturleben, welches kommunal tief verwurzelt ist. Wir werden regionale Ansprechpartner etablieren, die den kulturschaffenden Initiativen auf dem Land technische, finanzielle und logistische Unterstützung bieten, denn die bayerische Kultur muss vielfältig bleiben und sollte sich nicht auf wenige Ballungszentren beschränken.

Kulturelle Bildung

Nicht nur der Konsum, sondern auch die aktive Teilnahme und Produktion von Kunst und Kultur gehört in das Leben aller Heranwachsenden. Kunst- und Kulturangebote jenseits des Kunstunterrichtes werden wir an allen Schulformen erhalten, fördern und weiterentwickeln. Dabei spielt die Vernetzung der Schulen mit Institutionen der Soziokultur, der Laienkultur, sowie der in öffentlicher Hand befindlichen Kulturbetriebe eine maßgebliche Rolle, als auch die Anerkennung künstlerischer und kultureller Freizeitprojekte Jugendlicher durch die Schulen.

Förderung von Museen und Kunstsammlungen

Wir setzen uns für eine lebendige Museumskultur ein. Wesentlich ist hierfür, den Zugang zu Kulturgütern auch Menschen zu ermöglichen, die bislang marginalisiert oder ausgegrenzt werden.

Digitalisierung von Kulturgut und Vernetzung der Institute

Wir wollen, dass die Jahrhundertaufgabe der Bewahrung unseres Kulturgutes als solche erkannt wird und werden daher auf einen massiven Ausbau der Digitalisierungsbemühungen aller Museen, Archive, Bibliotheken und Sammlungen drängen. Wir Piraten möchten dabei, dass die Digitalisate unter der Creative-Commons-Lizenz allen Menschen kostenfrei online zur Verfügung gestellt werden, damit alle Menschen weltweit einen direkten Zugang zur bayerischen Kunst und Kultur erhalten können.

Daneben werden wir auch eine effiziente und finanzierbare Vernetzung von staatlichen und nicht-staatlichen Museen mit einer lebendigen Verleihpraxis zwischen den Institutionen und Sammlungen realisieren.

Darüber hinaus werden wir die Digitalisierungsprogramme zur Digitalisierung der Bestände der staatlich finanzierten Bibliotheken mit dem Konzept des Crowdfunding gestalten. Crowdfunding soll die staatliche Förderung von Digitalisierungsprojekten nicht ersetzen, sondern ausschließlich ergänzen.

Museumspädagogik

Die Zusammenstellung, Aufbereitung und zeitgemäße Vermittlung von musealen Objekten für viele verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen wird heutzutage immer wichtiger. Nicht nur Kinder brauchen einen niederschwelligen Zugang zu musealer Bildung, auch Erwachsene sollen unter dem Stichwort „lebenslanges Lernen“ zu neuen Impulsen und Denkmustern angeregt werden. Wir werden daher für eine moderne Museumspädagogik sorgen, die „angestaubte“ Inhalte neu strukturiert, um sie größeren Publikumsgruppen näher zu bringen. Hierbei wollen wir explizit den Zugang zu museal vermitteltem Wissen über digitale Strukturen fördern.

Digitale und analoge Spiele als Kulturgut

Klassische analoge als auch digitale Spiele sind Kulturgüter und müssen als solche vom Land Bayern anerkannt und gefördert werden. Spiele fördern unabhängig vom Medium unverzichtbare Kernkompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit als auch logisches Denken und Abstraktionsvermögen. Die Nutzung internet-basierter Spiele baut soziale sowie nationale Grenzen ab und fördert das gegenseitige Verständnis füreinander. Video- und Computerspiele ermöglichen es Künstlern und Künstlerinnen, neue Ausdrucksformen jenseits der klassischen Medien zu finden und bedürfen deswegen der Anerkennung als Kunstform. Zensur- und Verbotsforderungen lehnen wir entschieden ab. Der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Medium „Video- und Computerspiel“ kann nicht durch Verbote, sondern nur durch Aufklärung und Schaffung von Medienkompetenz erreicht werden.

Förderung von eSport

„eSport“ ist die Kurzbezeichnung für „Elektronischer Sport“, eine moderne Form des sportlichen Wettkampfs, der mit Computerspielen über das Internet oder auf LAN-Turnieren ausgetragen wird. eSport hat sich von einer Jugendkultur zu einer Breitensportart entwickelt und schafft ein soziales Netz für zahlreiche Konsumenten von Online-Spielen. eSport holt Jugendliche bei einer ihrer bevorzugten Freizeitaktivitäten ab, vermittelt die Werte von sportlicher Fairness und Teamgeist und lässt sie an sozialen Veranstaltungen teilnehmen, online sowie persönlich vor Ort.

Wir werden uns im Landtag daher für die zu anderen Sportarten gleichwertige Förderung von eSport sowie dessen Vernetzung mit sozialen Projekten und der Vermittlung von Medienkompetenz bei Eltern und Schülern einsetzen, und streben zu diesem Zweck Kooperationen mit Schulen und regionalen eSport-Veranstaltern an.

Denkmalschutz transparent gestalten

Erhaltenswerte Architektur darf nur dann unter strengsten Denkmalschutz gestellt werden, wenn eine denkmalgerechte Sanierung durch den Freistaat Bayern zusammen mit den Kommunen und anderen Förderern sichergestellt werden kann. Für Privatinvestoren sind dabei attraktive Anreize zu schaffen, damit sie denkmalgeschützte Bauten erhalten wollen.

Wir setzen uns für realistische Kompromisse zwischen Erhaltung denkmalgeschützter Bausubstanz und dem Bedürfnis nach lebendiger Infrastruktur ein. Denkmalschutz als reine Wirtschaftsförderung der Baubranche einer Region – oft aus den Mitteln des Kulturetats quersubventioniert – lehnen wir entschieden ab.

Symbolfoto: Annie Mole – CC-BY