Bayern

dieser Beitrag unseres Landesvorsitzender erschien zuerst unter https://www.piratenpartei.de/2020/11/18/demokratie-in-zeiten-der-pandemie/

Demokratie in Zeiten der Pandemie

 

„Es liegt jetzt an uns allen. Wir müssen im privaten Bereich und in der Freizeit unsere Kontakte reduzieren. Das ist hart, aber das ist eine gemeinsame Kraftanstrengung – und das ist machbar.“ appellierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits am 28. Oktober 2020 im Interview mit @swr2.

In der darauf kommenden Woche folgte der „Lockdown light“, der uns allen diese Aufgabe stellt.

Parteien, in unserer Demokratie ein wichtiger Bestandteil, sind aber auf ständigen Kontakt mit ihren Mitgliedern und den Bürgern angewiesen. Die PIRATEN haben bei Kontakten für parteiinterne Gespräche bereits seit Anbeginn auf digitale Kommunikation gesetzt und hatten in diesem Bereich wenig pandemiebedingten Änderungsbedarf.

Aber Aufstellungsversammlungen für Wahlen, Vorstandswahlen und Satzungsänderungen sind nach wie vor vom Gesetzgeber an Präsenzveranstaltungen gebunden, die derzeit nicht stattfinden können. Die Piratenpartei hat gerade erst am 3. November – wie viele andere Parteien auch – ihren für den 14. & 15. November geplanten Bundesparteitag abgesagt ohne zu wissen, wann dieser nachgeholt werden kann. In diesem Bereich ist bei den im Bundestag vertretenen Parteien inzwischen Bewegung zu erkennen, da sie auch selbst betroffen sind.

Nicht betroffen sind diese Parteien jedoch von Wahlvorschriften, die nicht in Parlamenten vertretenen Parteien zusätzliche Hürden für das Antreten bei Wahlen stellen. Eine der größten Hürden dabei (neben der 5%-Hürde) ist das Sammeln sogenannter Unterstützerunterschriften, ganz old-school auf Totholz durch persönliche Ansprache der Bürger. Fast 30.000 Unterschriften müssen die Parteien zum Beispiel zur Bundestagswahl sammeln, wollen sie in allen Bundesländern antreten. Für 1 Unterschrift sind schnell mal um die 10-20 Bürger angesprochen, sammeln müssen allein für die Bundestagswahl 15 – 20 Parteien, da gehen die Bürgerbegegnungen schnell in die Millionen.

Wie also gehen die Regierungsparteien mit diesem Problem um, das ja nicht ihres ist?

In Rheinland-Pfalz hat die dortige Koalition nach langem Druck über die Medien, zusammen mit Teilen der Opposition beschlossen, die notwendige Zahl der Unterschriften für die dortige Landtagswahl von 2080 auf 520 zu reduzieren [2] [3], sie hatten aber diese Reduzierung zuvor schon für z.B. vorzeitige Neuwahlen im Wahlgesetz stehen.

In Baden-Württemberg, auch dort sind Anfang 2021 Landtagswahlen, hat sich der Landtag bisher um diese Frage gekonnt gedrückt. Anfragen mehrerer Parteien an den Petitionsausschuss werden vom einen „zuständigen Fachausschuss“ zum anderen verschoben. Gemeinden, wie zum Beispiel die Landeshauptstadt Stuttgart, untersagen Infostände zur Wahl, bei denen diese Unterstützerunterschriften gesammelt werden könnten. Inzwischen hat der baden-württembergische Landesverfassungsgerichtshof am 9.11.2020 entschieden, dass die Hürde der Unterstützerunterschriften für Pandemie-Zeiten zu hoch sei und dem Landtag als Hausaufgabe aufgegeben, diese mindestens zu halbieren.

Für Aufstellungsversammlungen (für Listen und Direkt-Kandidaten) und Parteitage entwickeln die Parteien in den Parlamenten nun langsam Möglichkeiten diese alternativ online durchführen zu können, wenn auch teilweise kombiniert mit Briefwahl, die für kleine Parteien eine enorme logistische und finanzielle Herausforderung darstellt. Für das Sammeln der Unterstützerunterschriften wird diese Möglichkeit nach wie vor nicht angedacht, auch wenn einzelne, kleinere Parteien diese bereits länger fordern  und es bei der „Europäischen Bürgerinitiative“ (EBI) bereits längst als legitime Unterstützungsform implementiert ist.[8][9].

„Um gemeinsam gut durch die Krise zu kommen, sind nicht in erster Linie die staatlichen Anordnungen entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass jede und jeder Einzelne den Ernst der Lage erkennt und sich entsprechend verhält. Es geht nicht um Loyalität gegenüber dem Staat, sondern um Solidarität gegenüber der Gesellschaft und um die Sorge jedes Einzelnen um die Gesundheit aller. Jeder muss sich bewusst sein: Nun kommt es auf sein ganz persönliches Verhalten an.“ heißt es im Bericht des bayerischen Kabinett vom 9. Oktober 20.

„Wir PIRATEN sind uns dieses Anspruchs wohl bewusst und verhalten uns entssprechend, indem wir z.B. derzeit keine Infostände abhalten und nicht aktiv – wie es eigentlich dringend notwendig wäre – Unterstützerunterschriften sammeln und dafür die Bürger ansprechen. Noch versuchen wir „nur“ online für Unterstützung zu werben , aber um auch 2021 wieder an der Bundestagswahl teilnehmen zu können, brauchen wir PIRATEN und andere Kleinparteien hier ein klares Entgegenkommen der „großen Parteien“ und entsprechende staatliche Anordnungen. Pandemiebedingte Anordnungen dürfen nicht zu Einschränkungen der Demokratie führen.“

so Martin Kollien-Glaser, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der PIRATEN Bayern

Thomas Ganskow, Landesvorsitzender der PIRATEN Niedersachsen und deren Spitzenkandidat zur Bundestagswahl ergänzt:

„Wenn es möglich ist, Unterschriften für Landtags-, Bundestags- oder Petitionen der Europäischen Bürgerinitiative rechtsverbindlich abzugeben, dann sollte es auch möglich sein, Unterschriften für die Zulassung zu Wahlen rechtsverbindlich zu sammeln. Die ohnehin anachronistischen Wahlgesetzte, die auf einer Zementierung der vorhandenen Strukturen abzielen, gehören schleunigst modernen Gegebenheiten angepasst. Gerade in einer Nation, die sich ihrer technischen Kompetenzen lobt müsste es ein Anspruch sein, dies in allen gesellschaftlichen Feldern zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen.“

 

1 Kommentar zu “Demokratie in Zeiten der Pandemie

  1. Josef Limmer

    Das hier noch auf „totholz“ die Zulassung einzuholen ist und das ganze noch von der Gemeinde beglaubigt werden muss, den sollte es auch nicht wundern, dass Deutschland erst auf Platz 66 in der Digitalisierungsweltrangliste steht.
    Während wir schon Jahrzehnte auf onlinebanking Geld verschieben, traut die staatliche Administration und deren Regierende uns bzw. kleinere Parteien nicht mal Unterstützungsunterschriften online zu. Was wäre wenn hier eine Partei schwindeln würde? Eine Stichprobenprüfung des Wahlausschusses würde schnell zum auffliegen führen. Und die Partei riskiert den Wahlausschluss.
    Wenn es nicht bemerkt würde, wird die Partei deswegen auch nicht mehr stimmen bei der Wahl bekommen. Aber vielleicht gibt es auch vernünftige Argumente für das anachronistische Prozedere. Teilt es mir bitte mit. Ansonsten bitte ich die Piraten und alle Parteien, sich für eine Anpassung dieses Wahlprozederes einzusetzen. Zuguterletzt ist jede Papierlose Administration ein Beitrag zum Recourcen- und damit Umweltschutz.

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