Das erste, was auffällt, sind die Toiletten. „Toilets/showers for everyone“ steht auf der Tür des Ex-Männerklos, auf dem Ex-Frauenklo steht „Non-male only“. Drei JuPis sitzen im Kreis und reden über utopisches Denken. Sie tragen Namensschilder, auf denen auch das Pronomen steht, damit jede*r, der sie anspricht, weiß, ob und welchem Geschlecht sie sich zuordnen. Obwohl die Muttersprache der drei Deutsch ist, reden sie Englisch – das ist die einzige Sprache, die wirklich jede*r Besucher*in des Camps spricht. Es gibt auch ein spezielles Team, das sich darum kümmert, dass jede*r sich frei entfalten kann und eine*n Ansprechparter*in hat, wenn sie*er (auch aus Versehen) diskriminiert wird – Ansprechpartner*innen, die viele der Teilnehmenden sich auch im Alltag wünschen.
Im Sommercamp der Young Pirates of Europe versammeln sich Aktivist*innen aus ganz Europa, um Erfahrungen auszutauschen, von einer grenzenlosen Welt zu träumen und an einer besseren Welt zu basteln. Junge Pirat*innen aus Schweden und Finnland berichten von hacktivistischen Aktionen gegen ihre Telekommunikationsüberwachung, Antifaschist*innen aus Deutschland und Frankreich erklären, was mensch bei der Arbeit mit Geflüchteten beachten muss und wo man den Rechtlosen helfen kann. Isländische Pirat*innen erzählen von ihren unerwarteten Umfrageerfolgen und wie sie mit den neuen Erwartungen und Herausforderungen umgehen, die sich aus der öffentlichen Aufmerksamkeit für sie ergeben.
Mithilfe vieler theoretischer und praktischer Workshops bringen sich die Aktivist*innen gegenseitig ihre Arbeit näher. Während gerade die JuPis aus dem Süden Europas viel Energie in Flüchtlingsarbeit stecken, sich einer wachsenden Bedrohung durch den europäischen Rechtsruck gegenübersehen und diese Erfahrungen weitergeben, haben die skandinavischen JuPis viele optimistische Ansichten und neue Ideen, die Zukunft zu gestalten. All diese Ansätze treibt jedoch eine Frage um: Wie kann eine Welt ohne Grenzen aussehen?
„Grenzen sind so 80er“ ist ein populärer Piraten-Slogan. Brauchen wir Grenzen wirklich, wen sollen sie schützen, schaden sie nicht mehr als sie nützen? Allein 2015 sind tausende Menschen im Mittelmeer ertrunken und es gibt keine Grenzen, die uns vor der wachsenden Bedrohung des Nazi-Terrorismus schützen können. Wir sind in Europa längst gewohnt, frei zwischen Ländern hin- und herzupendeln. Und während wir dieses Privileg zu schätzen wissen, wird anderen diese Chance und diese Freiheit verwehrt.
Gleichzeitig verlieren nationale Institutionen immer mehr an Macht – weil viele organisatorische Aufgaben von transnationalen Unternehmen übernommen werden, oder globale Probleme nicht von nationalen Regierungen gelöst werden können. Auch unsere Demokratien leiden darunter: ein schönes Beispiel ist Griechenland, wo das demokratische Mandat für eine linke Regierung und gegen die verheerende Austeritätspolitik schlussendlich ignoriert wurde, weil es nicht mit den Interessen mächtiger, aber unzureichend demokratisch legitimierter Institutionen vereinbar war.
Ein weiteres Problem, welches auch die Piraten in den nächsten Jahren angehen werden müssen, ist die zunehmende Auflösung von Grenzen und Nationen: Wie kann die Demokratie über den Nationalstaat hinaus gerettet werden? Auch diese Frage wird auf dem Beyond15-Camp diskutiert.
Es gibt auch ein Mediateam, das vor Ort Artikel schreibt und die Außenwelt auf dem laufenden hält; regelmäßige Updates sind auf www.beyond15.eu zu finden.
Symbolbild: – by
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