Es ist wieder so weit, der 14.06. ist der allgemeine Weltblutspendetag und mit diversen Aktionen wird darauf aufmerksam gemacht. So startete das Bundesministerium für Gesundheit eine eigene Werbeaktion.
Unter einem jovial lächelnden Bundesgesundheitsminister Gröhe, der nach dem Lesen dieses Artikels eure interessierten Fragen unter
@groehe bei Twitter erwartet, erklärt uns das BMG freundlich, dass jeder Spenden darf und das allgemein zu wenig Blutkonserven zur Verfügung stünden und sich gerade in der Ferienzeit Blutprodukte sich immer weiter verknappen. Was uns der freundliche Bundesgesundheitsminister verschweigt, nicht jedes Blut ist erwünscht. Nicht jedes Blut erwünscht? Ja der Blutspender von heute soll weißer Hautfarbe sein, Bildungsbürger, Steuerzahler und auch ansonsten dem Bild eines rechtskonservativen Politikers entsprechen. Willkommen in Deutschland anno 2014!
Gleich zu Anfang, natürlich gibt es Gründe Menschen von der Blutspende auszuschließen. Diese Tatsache bestreitet niemand. Aus diesen Gründen existiert eine ärztliche Untersuchung des Allgemeinzustandes einer Person bevor diese zur Blutspende zugelassen wird. Dagegen ist auch rein gar nichts einzuwenden. Wenn wirklich akute Krankheiten oder Infektionen vorliegen, können diese bei der Untersuchung an allgemeingültigen Merkmalen wie erhöhter Temperatur, steifer Nacken, kalter Schweiß und vielen anderen Indizien erkannt werden. In diesem Falle ist es zum Besten für die Gesundheit des Spenders aber auch die Gesundheit der späteren Empfänger, dass eine Spende ausgeschlossen wird.
Seit bekannt werden von HIV oder wie es am Anfang so schön hieß GRID (gay related immune defficency) sind jedoch Homosexuelle vom Spenden ausgeschlossen. In den frühen Jahren von HIV eine notwendige Maßnahme, da bis dahin kein Test existierte, der zuverlässig eine Infektion nachweisen konnte. Diese Tatsache wird selbst von LGBTI-Verbänden nicht bestritten und entsprechend wurde diese Maßnahme von denselben Verbänden zu diesem Zeitpunkt begrüßt und unterstützt. Im Jahre 2014 sieht dies jedoch anders aus. Die heutigen Testverfahren erlauben ein erkennen von HIV-Infektionen im Blut schon 9,3 Tage nach der Erstinfektion. Tatsächlich sind die verwendeten PCR-Testungen vielfach schon direkt nach der Infektion zuverlässig, wissenschaftliche Vorsicht läßt jedoch dazu raten, einige Tage Inkubationszeit vorrauszusetzen um wirklich ein echtes Ergebniss zu erhalten. Im Falle von HIV würde aber ein Spender sowieso aussortiert werden, da er auf Grund der ersten Infektionssysmpthome nicht durch die ärtzliche Kontrolle gelangen würde.
Warum also immer noch das Spendeverbot für Homosexuelle oder besser gesagt MSM – Männer, die mit Männern Sex haben. Pikanterweise sprechen sowohl das Bundesministerium für Gesundheit, das Robert-Koch-Institut als auch das Paul-Ehrlich-Institut nicht von LGBTI sondern von MSM. Auch wenn mittlerweile der Standardfragebogen für den Blutspendedienst geändert worden ist, werfen die involvierten Parteien weiterhin Bisexuelle, Intersexuelle, Inhaftierte, Ex-Sträflinge, Drogenbenutzer, männliche Prostituierte und Homosexuelle in einen Topf und rühren einmal kräftig um. Ist ja klar, jeder Ex-Knacki wurde in der JVA entjungfert! Mit etwas Mathe-Magie, verfälschten Zahlen wird uns ohne weitere Erklärung der Fakt präsentiert, dass Blut von Schwulen 1000mal ansteckungsgefährdender sei als von Heterosexuellen. Nicht unerwähnt sollte in diesem Zusammenhang bleiben, dass selbst das Robert-Koch-Institute davon spricht, dass die Ergebnisse der HIV-Rückmeldungen von Arztpraxen und Laboren mehr als zweifelhaft sind, da vielfach aus Rücksicht auf die Betroffenen und aus Scham falsche oder unvollständige Angaben gemacht werden. Dennoch wird pauschal gesagt, das Blut von dem Schwulenpärchen, dass seit 20 Jahren monogam und treu zusammenlebt ist „1000mal giftiger“ als dass des Gigolos, der jeden Abend eine andere Frau aus der Disko abschleppt.
Man könnte sich jetzt über Zahlen und Fakten ergehen, wie unglaubwürdig diese 1:1000 Statistik ist, dazu gibt es aber schon mehr als genug Artikel im Internet. Diese reichlichen von der EU finanzierten Studien, die belegen, dass es bei Heterosexuellen eine sehr hohe Dunkelziffer an HIV-Infektionen gibt, da diese weniger häufig zu präventiven Testungen gehen, bis hin zu Untersuchungen, die die Genauigkeit der diversen Testverfahren erläutert. Ein Faktum sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben. Länder die mittlerweile die Spende von Homosexuellen zugelassen haben konnten bisher keine signifikant höhere Infektionsrate durch Blutkonserven feststellen.
Warum also weiterhin das Beharren auf einem Verbot, dass mittlerweile jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Hier kann man natürlich nur Mutmaßen. Eine Erklärung wäre sicherlich, dass Blutkonserven ein einträgliches Geschäft sind. Wir alle kennen ja die alte Litanei von „Angebot und Nachfrage“ und entsprechend konnten die diversen Blutspendedienste mit dem Veräußern von Blutkonserven und anderen Blutprodukten nicht unerhebliche Gewinne einfahren (Süddeutsche – Vom Gefühl zum Kalkül)
Was auch immer wieder unterschlagen wird, seit es zu einer immer höheren Knappheit an Blutprodukten gekommen ist, haben Pharmaunternehmen die Zulassungsverfahren und die Produktion von Blutersatzpräparaten wieder aufgenommen. Analysten gehen davon aus, dass dieses Marktsegment bei gleichbleibender Knappheit von Blut ein gewinnbringender Wachstumsmarkt sein kann.
Man muss nicht wirklich ein verbohrter Verschwörungstheoretiker sein, um hier seine Schlüsse zu ziehen. Was könnte schöner sein, als einerseits das konservative Wählervolk zu befriedigen, indem man eine Bevölkerungsgruppe stigmatisiert als auch der Dankbarkeit einer zahlungskräftigen Lobby gewiss zu sein.
Natürlich ist der Schutz von Kranken, die auf Blutprodukte angewiesen sind wichtig und natürlich geht das Leben von hilflosen Personen vor. Deswegen haben Wissenschaft und LGBTI-Verbände sowohl Testverfahren als auch Fragebögen geliefert, die sicherstellen das ALLE Spender sorgsam auf Risiken überprüft werden und anschließend das gespendete Blut sorgsam kontrolliert wird. Daher darf die Frage erlaubt sein: Ist hier das Wohl der Patienten wirklich die Hauptpriorität der Handelnden oder wird Gewinnstreben und Klientelpolitik geschickt miteinander kombiniert. Ich für meinen Teil habe mir diese Frage schon beantwortet und sage: Pfui, schämt Euch!
Symbolbild:Blutspende – by RAMA
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Bernd Kasperidus geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
Danke für diesen gelungenen Artikel der ein Schlaglicht auf das Halbwissen und die Vorurteile die sich in unserer Gesellschaft immer noch hartnäckig halten wirft.
Nur ein Punkt gefällt mir nicht: