Der am Donnerstag veröffentliche Bericht zur Drogensituation in Deutschland 2012 und die dazugehörige Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Mechthild Dyckmans zeugen von einem bedenklichen Realitätsverlust unserer Regierung.
Sie feiert sich selbst, bescheinigt Deutschland gute Präventionsangebote für suchtgefährdete Menschen, während eine vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene Studie zur Prävention die vorhandenen Angebote als „zum Teil mit Defiziten“ behaftet bewertet. Die befragen Experten aus Bayern beurteilen die Präventionsarbeit auf Grund mangelnder personeller und finanzieller Ressourcen sogar als „erheblich defizitär“. Anscheinend liest Frau Dyckmans die von ihr beauftragten Studien nicht.
Insbesondere für Bayern zeigt der Drogenbericht erheblichen Nachholbedarf an Präventionsmaßnahmen und Hilfsangeboten auf. So werden in den Studien Drogenkonsumräume als wichtiges Hilfsangebot hervorgehoben. Die CSU weigert sich jedoch vehement, die notwendigen gesetzliche Rahmenbedingungen auf Landesebene einzuführen und verhindert so die Einrichtung von potentiell lebensrettenden Drogenkonsumräumen.
Substitutionsangebote, vor allem in räumlicher Nähe zum Wohnort führen zu verringertem Beikonsum, weniger Notfällen sowie einer besseren Wohn- und Berufssituation der Betroffenen (Jahresbericht 2012). Leider stagniert die Zahl der substituierenden Ärzte seit 2004. Sie dürfte in Bayern zukünftig sogar noch abnehmen, da auf Grund der Rahmenbedingungen substituierende Ärzte stetig mit einem Bein im Gefängnis stehen.
Eine angemessenere Politik könnte dabei viele Todesfälle verhindern – nicht nur den durch verunreinigtes Heroin verursachten Anstieg an Milzbrandfällen.
Das Bundeskriminalamt, das Landeskriminalamt und Zollbehörden untersuchen regelmäßig die von ihnen beschlagnahmten Substanzen. Dabei zeigte sich, dass der durchschnittliche Wirkstoffgehalt von illegalen Drogen in den letzten Jahren relativ konstant war. Warum solche staatlich durchgefürten laborchemischen Untersuchungen, bei denen auch Verunreinigungen auffallen, nicht zeitnah veröffentlicht werden, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn sich die bayerische Regierung schon gegen von unabhängigen Vereinen durchgeführtes Drug-Checking ist, könnte sie wenigstens hier ohne großen Aufwand etwas für den Verbraucherschutz tun.
Absurderweise lobt sich die Bundesregierung in ihrem Bericht erneut selbst ob ihrer internationalen Zusammenarbeit. Dabei ist Deutschland erst vor kurzem aus der Pompidou-Gruppe ausgetreten. Die Pompidou-Gruppe des Europarates ist die älteste europäische Institution der internationalen Drogenpolitik. Derzeit gehören ihr 37 Mitgliedstaaten an und mit Beteilligung von Sozialarbeitern, Ärzten, Forschern, Juristen und Polizisten wird dort an evidenzbasierten drogenpolitischen Konzepten gearbeitet. Der Austritt Deutschlands hat international Unverständnis unter Drogenpolitikern erzeugt.
Dank der aktuellen Politik sind auch die Gefängnisse in Deutschland überfüllt, so sitzen ca. 15% aller Gefangenen in Deutschland wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ein. Die Kosten, die direkt oder indirekt in Deutschland durch illegale Drogen entstehen, werden auf mehr als 6 Milliarden Euro geschätzt. Die Staatsausgaben im Zusammenhang mit illegalen Drogen im Rahmen der Aufgabenfelder von Polizei, Gerichten und Justizvollzug alleine betragen über 3,3 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu gibt die Bundesregierung und alle Länderregierungen zusammen für Suchtprävention für legale wie illegale Drogen ca. 100 Millionen Euro aus. Hier sieht man klar, wo die Prioritäten aktuell liegen.
Zuletzt zum Thema Cannabis:
Die Politik der Regierung ist klar gescheitert, Cannabis ist ähnlich wie Alkohol eine breit verfügbare Alltagsdroge in Deutschland. Wobei sowohl die Anzahl der Cannabiskonsumenten als auch die durchschnittliche THC-Konzentration über die Jahre stabil geblieben ist.
Während jedoch bei Alkohol, der Droge die mit Abstand am meisten Probleme und Kosten verursacht, konsequent eine „harm reduction“-Strategie, sprich die Förderung des risikoarmen Umgangs verfolgt wird, setzt man bei Cannabis ausschließlich auf Verbote und die unrealistische Abstinenzforderung.
In Bayern hat man es, im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern, auch 18 Jahre nach dem entsprechenden Bundesverfassungsgerichtsurteil, noch nicht einmal geschafft einen verbindlichen Grenzwert für die „geringe Menge“ einzuführen, unterhalb dem die Strafverfolgung eingestellt wird.
Dass es auch anders geht, zeigen aktuell mehrere Bundesstaaten der USA. So wird in Colorado Erwachsenen ab 21 Jahren erlaubt, bis zu 28 g Cannabis oder sechs Hanfpflanzen zu besitzen. Weiter wurde die Einführung eines Systems von staatlich zugelassenem Anbau, Weiterverarbeitung und Qualitätskontrolle, sowie staatlich genehmigte Verkaufsstellen beschlossen. Mit der zeitgleich eingeführten Steuer auf Cannabis-Großhandel wird unter anderem der Ausbau von Schulen finanziert.
Auch Washington hat – neben der Einführung eines Grenzwertes von 5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut für den Straßenverkehr – Cannabisanbau und lizenzierten Einzel- und Großhandel erlaubt. Auch hier mit einer Steuer, bei der 60% Präventionsmaßnahmen, Forschung und Gesundheitsversorgung zugute kommen. Die Politiker von CDU und CSU ignorieren solche Entwicklungen leider komplett. Und wenn ich die Ergebnisse des Drogenberichts lese und danach die Interpretationen der Unionspolitiker stellt sich mir die Frage: Welche realitätsverzerrenden Drogen rauchen die eigentlich?
Foto: César Astudillo – CC-BY-NC
Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Florian Deissenrieder geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.
Interesssant ist die Tatsache, dass Bayrische Strafgerichte in der Vergangenheit dem Grundsatz „Therapie statt Strafe“ kaum noch folgten und selbst Ersttäter mit Zusage für einen Therapieplatz lieber hinter Gitter schickten. Es scheint sich dabei um ein speziell bayrisches Problem zu handeln und steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem vergleichsweise mageren Therapieplatzangebot in Bayern.
Die von den Unionspolitikern konsumierten realitätsverzerrenden Rauschgifte werden nicht geraucht/inhaliert – sondern getrunken.
also da der DHV ja immernoch auf eure massive Unterstützung wartet…ihr quasi selbst nicht in di e pushen kommt wirkt eine solche meldung schon komisch. den die probleme sind mehr als bekannt daher helft dem DHV bekannter zu werden kümmert euch um promis etc. u. vor allem likes…dachte ihr kümmert euch um nen Shitstorm für die DHV seite? diese ist schon längst überfällig…..bin nach wir der meinung das wenn die FB gruppe mehr als 200.000 liker hat das thema bald durch ist….
Der DHV gehört einem Grünen, da kann er sich doch Unterstützung holen! Warum soll die Piratenpartei eine private grüne Firma unterstützen, vor allem wo die Grünen in der Cannabis bzw Drogenpolitik seit Jahrzehnten rumeiern und nicht mal was in Regierungsverantwortung verbessert haben!
Beim DHV geht´s um Hanf!
Und wenn´s euch, liebe Piraten, auch um Hanf geht, dann tut was!
Parteienanimositäten haben bei dieser Sache nichts zu suchen!
Vorschlag: Sorgt dafür, dass nächstes Jahr auf der Hanfparade in Berlin 100.000 Leute demonstrieren. Bin gespannt, ob ihr genügend Nerds aus ihren Löchern holen könnt…
Hi, unser Top Listenkandidat für die Landtagswahl in Mittelfranken ist Emanuel Kotzian, einer der Mitbegründer des Deutschen Hanfverbandes. Und auch sonst arbeiten wir immer wieder mit dem DHV und anderen Initiativen zur Hanflegalisierung zusammen, allerdings ist Politik mehr als nur Likes auf Facebook. Leider 😉
Nicht falsch verstehen, ich befürworte auch die Re-Legalisierung von Cannabis und bin ein Fan von Emmi. Aber der DHV wird von Grünen geführt die ständig als Wahlempfehlung (eine Ausnahme) die Grünen ausgeben, und von denen ihrer Drogenpolitik ist meines Wissens nach auch Emmi, unser Spitzenkanditat, enttäuscht.
Die Frage welche realitätsverzerrenden Drogen die in Bayern konsumieren ist schnell beantwortet, ich vermute es ist die eine oder andere Maß Bier zuviel gewessen!
Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Solange diese Koalition weiter regiert, die Demographie so fortschreitet und nächstes Jahr Grün/Spd oben ist wird sich hier gar nix tun. Stimme Florian voll zu.
Anonymous Bremen
Wer in Bayern wohnt weiß, dass der Realitätsverlust der CSU-Leute (Bierdimpfl-Fraktion) nicht nur in der Drogenpolitik eklatant ist. Lasst uns diesen schwarzen Sumpf austrocknen.