Demokratie und Bürgerbeteiligung

Wir erachten die Demokratie als die bestmögliche Regierungsform, da nur eine echte Demokratie ein faires und gerechtes Miteinander sowie den Ausgleich der Interessen Einzelner innerhalb des Staates ermöglicht.

Direkte Demokratie in Bayern

Wir wollen auf Landes-, Bezirks- und kommunaler Ebene die direktdemokratischen Instrumente Bürger- und Volksentscheid durch folgende Änderungen verbessern und harmonisieren:

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sollen auch auf Bezirksebene eingeführt werden. Alle Bürgerbegehren und -entscheide sollen offiziell erfasst und veröffentlicht werden, so dass sich Bürger einfach über alle Entscheidungen informieren können. Wenn ein Volksentscheid stattfindet, soll zu diesem ein Infoblatt mit den Argumenten der Initiatoren und der Gegner erstellt werden und über die Kommunen verbreitet werden.

Die Eintragungsfrist für ein Volksbegehren soll auf mindestens sechs Wochen verlängert werden, eine freie Unterschriftensammlung zugelassen und das Unterschriftenquorum von zehn Prozent auf fünf Prozent gesenkt werden. Die Regierung soll auch gegen ein in Vorbereitung befindliches Volksbegehren klagen können, um rasch dessen Zulässigkeit klären zu lassen.

Es sollen grundsätzlich auch Volks- und Bürgerbegehren zum Haushalt zugelassen und den Bürgern alle nötigen Information über den Haushalt bereitgestellt werden, um eine tragbare Entscheidung treffen zu können. Der Landtag soll analog zu Ratsbegehren beschließen können, dass über eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises ein Volksentscheid stattfindet, um Streitfragen direkt von den Bürgern entscheiden zu lassen. Analog zum Landtag sollen auch der Bezirkstag, Kreistag und Gemeinderat durch einen Bürgerentscheid abberufen werden können. Für die Auflösung des Landtags soll das gleiche Quorum wie bei Volksbegehren gelten.

Die Zustimmungsquoren bei Bürgerentscheiden und Verfassungsänderungen sollen abgeschafft werden und falls nötig im Gegenzug die Quoren für Bürger- und verfassungsändernde Volksbegehren angemessen angepasst werden. Damit kann eine Ablehnung durch Boykott vermieden werden. Bei jeder Abstimmung soll es die Möglichkeit zur expliziten Enthaltung geben.

Um die Beteiligung zu erhöhen und Kosten zu sparen, sollen Bürger- und Volksentscheide soweit wie möglich mit Wahlen und anderen Abstimmungen auf einen Tag zusammengelegt und diese Termine möglichst periodisch gelegt werden.

Bürgerbeteiligung bei Landesentwicklungsplänen

Landesentwicklungspläne sollen künftig unter direkter Mitwirkung des Bezirkstags bzw. der im Bezirk lebenden Menschen erstellt werden. Die Mitwirkungsmöglichkeiten sollen bereits in der Vorplanungsphase von Projekten bestehen. Weiterhin befürworten wir die Möglichkeit der Mitwirkung durch ein eigenes Vorschlagsrecht. In den späteren Planungsphasen soll der Bezirkstag ein Vetorecht haben. Die Bevölkerung soll durch Bürgerentscheide eingebunden werden.

Faire Wahlen in Bayern

Wir Piraten streben die vollständige demokratische Gleichberechtigung aller Menschen an. Hierzu bedarf es eines fairen und gerechten Wahlsystems für öffentliche Wahlen.

Zulassung der Parteien zur Landtagswahl

Die Zulassungsregeln des Landeswahlgesetzes führen zu einem Zwei-Klassen-Wahlrecht. Während im Landtag vertretene Parteien nur einige Formalia beachten müssen und fast automatisch zugelassen sind, müssen neuere Parteien den kompletten Zulassungszirkus mitmachen. Das ist ungerecht. Für die allgemeine Zulassung zur Wahl dürfen nicht nur die Ergebnisse der letzten Wahl zum bayerischen Landtag maßgeblich sein, sondern auch die Wahlerfolge der letzten in ganz Bayern ausgezählten Wahl, also auch Bundestags- oder Europawahlen.

Dabei ist die Zulassung zur Wahl rechtlich von der Wahlprüfung abzukoppeln. Alle Entscheidungen der Wahlausschüsse auf Nicht-Zulassung müssen – wie auch in anderen Ländern – vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit angefochten werden können.

Da die Fragen, die bei Wahlzulassung und Wahlprüfung auftreten, in erster Linie reine Rechtsfragen sind, streben wir die Einführung einer echten “Wahlprüfungsgerichtsbarkeit mit richterlicher Unabhängigkeit“ an, wie es sie in anderen Ländern längst gibt, auch wenn das eine Änderung der Bayerischen Verfassung erfordert.

Das Wahlverfahren

Jeder Regierungsbezirk bildet einen Wahlkreis, zwischen denen keinerlei Ausgleich stattfindet – schon allein dadurch wird das Wahlergebnis systematisch zu Gunsten der relativ stärksten Partei verzerrt. So können durch den fehlenden Ausgleich und Wegfall der Stimmen im Extremfall einer Partei im Landtag sechs Sitze verloren gehen. Bei insgesamt neun Sitzen bei einem Ergebnis von fünf Prozent ist das nicht unerheblich In drei von sieben Wahlkreisen sind weniger als 20 Abgeordnete zu wählen, wodurch die Fünf-Prozent-Sperrklausel erheblich verschärft wird.

Um diese Effekte abzumildern, werden wir dafür Sorge tragen, dass die Landtagssitze von Parteien, die bei der Wahl unter die Fünf-Prozent-Sperrklausel gefallen sind, zukünftig im Landtag unbesetzt bleiben und die Vergabe der Landtagssitze der einzelnen Bezirke sich in Zukunft nach der dortigen Wahlbeteiligung richtet, damit der verfassungsrechtlich verlangte, möglichst identische Erfolgswert jeder Wählerstimme gewährleistet ist.

Direkt- und Überhangmandate

In jedem der 90 Stimmkreise in Bayern wird je ein Abgeordneter direkt gewählt; die Hälfte des bayerischen Landtags wird also nach dem Prinzip der Mehrheitswahl besetzt. Das demokratische Prinzip der Gleichheit der Wahl verlangt, dass die Stimmkreise annähernd gleich viele Stimmberechtigte enthalten, denn nur so hat jede Stimme die gleiche Erfolgschance.

Beim derzeitigen Zuschnitt der Stimmkreise ist allerdings ein anderes Muster erkennbar. Stimmkreise, in deren Bevölkerung die gehobene Mittelschicht überpro­portional stark vertreten ist und ausgesprochen bäuerlich geprägte Stimmkreise haben regelmäßig deutlich weniger Stimmberechtigte als im Landesdurchschnitt. Stimmkreise mit überdurchschnittlich junger Wahlbevölkerung bzw. in Universitätsstädten und Städten mit anderen Einrichtungen für höhere Bildung sind dagegen in der Regel besonders groß.

Diese unterschiedlichen Größen verursachen eine “systematische Verzerrung des Wahlergebnisses“. Wir werden daher dafür kämpfen, dass die Stimmkreise nach der Zahl der dort wohnenden Stimmberechtigten eingeteilt werden, wie es auch in der Bayerischen Verfassung vorgeschrieben ist. Dabei darf es keine Abweichungen der Stimmberechtigten in Stimmkreisen um mehr als 20 Prozent geben.

Damit der Parteigeographie vorgebeugt wird, sind bei der Abgrenzung der Stimmkreise nicht nur formale Verwaltungsgrenzen, sondern auch historisch oder natürlich gewachsene Zusammenhänge gebührend zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen wird auch die Überhangmandate verringern.

Aktives Wahlrecht ausweiten

Demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten sind für jeden Menschen wichtig. Wir Piraten sehen es daher als Pflicht der Gemeinschaft an, jedem mündigen Menschen eine Partizipationsmöglichkeit einzuräumen.

Darüber hinaus möchten wir in Bayern das aktive Wahlrecht bei allen Wahlen für Menschen ab 16 Jahren ermöglichen. Wenn die Gesellschaft diese Menschen für strafmündig und teilweise geschäftsfähig erklärt, dann sollten sie auch demokratische Rechte zur Verfügung gestellt bekommen, um die Spielregeln der Gesellschaft mitbestimmen zu können.

Darüber hinaus wollen wir, dass in Bayern den hier lebenden EU-Ausländern das Wahlrecht für die Bezirkstage gewährt wird. Dies ist bei Kommunalwahlen längst üblich.

Parlament und parlamentarischer Betrieb

Wir Piraten erachten eine möglichst umfassende Gewaltenteilung im Staat als
sinnvoll und unabdingbar. Wir sind daher der festen Überzeugung, dass das Parlament gegenüber der Regierung gestärkt werden muss. Unser Fernziel ist eine strikte Trennung der exekutiven und legislativen Gewalt.

Das starke Parlament

Im derzeitigen parlamentarischen Betrieb werden viele Gesetzesvorlagen von der Regierung und ihrer Verwaltung ausgearbeitet. Wir können nachvollziehen, dass Ministerialverwaltungen an der Entstehung von Gesetzen beteiligt werden möchten, sind sie doch Experten auf ihrem Gebiet. Wir sind jedoch der Meinung, dass das konkrete Ausarbeiten der Gesetzestexte dem Parlament vorbehalten sein muss. Die Verwaltung und die Exekutive sind aus Sicht der Gesetzgebung externe Lobbyisten.

Stärkung der Parlamentsverwaltung

Wir befürworten zur Stärkung des Parlaments die Einführung eines wissenschaftlichen und eines juristischen Dienstes im bayerischen Parlament neben den bestehenden parlamentarischen und zentralen Diensten. Dieser soll die Abgeordneten mit parteipolitisch unabhängigen Studien und Gutachten zu Sachfragen und juristischen Auswirkungen von Gesetzen unterstützen.

Stärkung der Parlamentsfraktionen

Unabhängig von der Parlamentsverwaltung müssen die Parlamentarier und Fraktionen mit ausreichenden finanziellen Mitteln versorgt sein, damit sie entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigen können, um ihren zusätzlichen Aufgaben gerecht werden zu können.

Das transparente Parlament

Für uns Piraten ist die Transparenz politischer Prozesse sowie parlamentarischer Entscheidungsfindung und -träger ein elementarer Bestandteil der Demokratie im 21. Jahrhundert. Die Einwohner Bayerns haben das Recht zu erfahren, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Transparenz muss fester Bestandteil aller politischen Prozesse sein, nicht erst dann, wenn Menschen im Einzelfall Auskunft verlangen.

Ausschüsse und Kommissionen

In Parlamenten werden de facto viele Entscheidungen in Ausschüssen und Kommissionen getroffen, da sich viele Abgeordnete an die Empfehlungen ihrer Fraktionsmitglieder in den Ausschüssen halten. Wir Piraten sind daher der Meinung, dass die Sitzungen dieser Gremien nur in begründeten Ausnahmefällen nicht-öffentlich sein dürfen. Öffentliche Sitzungen sind zu protokollieren und audiovisuell aufzuzeichnen. Protokoll und Aufzeichnung sind im Internet zu veröffentlichen.

Abgeordnete

Die Landtagsabgeordneten tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Entscheidungen beeinflussen das Leben von Millionen Menschen direkt und indirekt. Wir Piraten sind daher der Meinung, dass sie in der Pflicht sind, mögliche und tatsächliche Interessenskonflikte öffentlich darzustellen.

Wir fordern daher, dass alle Abgeordneten gesetzlich verpflichtet werden, die Höhe und Herkunft ihrer Nebeneinkünfte exakt offenzulegen. Darüber hinaus sollen alle Abgeordneten ihre Mitgliedschaften in Vereinen, Gewerkschaften u.ä. offenlegen, ihre ehemaligen Arbeitgeber dokumentieren und ihre Treffen mit Lobbyisten angemessen veröffentlichen. Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung werden Abgeordnete der Piraten die genannten Forderungen erfüllen.

Lobbyismus

Lobbyismus ist Teil jeder Demokratie und an sich nichts Verwerfliches. In der parlamentarischen Demokratie muss Lobbyismus jedoch transparent und für alle nachvollziehbar geschehen. Wir fordern daher für den Landtag ein Lobbyistenregister, in dem sich alle Lobbyisten und gehörte Experten im Landtag mit ihren Grunddaten (Name, Anschrift, Kontakt, Ziele, etc.) eintragen müssen sowie einen Verhaltenskodex für Lobbyisten, der von den Abgeordneten beschlossen wird. Darüber hinaus muss der Landtag endlich beschließen, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption zu unterzeichnen und sich nach seinen Möglichkeiten an die Maßgaben zu halten.

Fraktionen

Häufig werden in den Sitzungen der Fraktionen wichtige Entscheidungen getroffen – leider meist hinter verschlossenen Türen. Wir finden, dass Fraktionssitzungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten öffentlich sein sollen.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten Fraktionen zusätzliche finanzielle Mittel. Die Verwendung dieser Mittel muss öffentlich dokumentiert werden. Ebenfalls ist zu dokumentieren, welche Angestellten für welche Funktionen beschäftigt werden.

All diese Punkte wird eine Piratenfraktion im Landtag auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung erfüllen.

Das digitale Parlament

Die bisher im parlamentarischen Betrieb eingesetzte Software dient ausschließlich dazu, den parlamentarischen Betrieb zu dokumentieren und darzustellen. Damit werden jedoch nur die Ergebnisse transparent dargestellt, die politischen Prozesse, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, dagegen kaum. Solange aber keine geheimen Abstimmungen nötig sind, ermöglichen es Demokratie-Softwaresysteme, demokratische Prozesse transparent und partizipativ zu gestalten. Das zeigen uns die Experimente mit und der Einsatz solcher Software innerhalb der Piratenpartei.

Zentrale Parlamentssoftware

Wir Piraten halten es deshalb für notwendig, dass das bayerische Parlament eine Open-Source-Software bekommt, in der alle Aspekte des parlamentarischen Betriebs abgebildet sind.

Die Software soll das Zentrum des parlamentarischen Betriebs bilden, es organisieren helfen und gewissermaßen ein ständiges Plenum des Landtags darstellen. Das Einstellen von Anträgen in das System entspricht dem Einreichen eines Antrags beim Parlament. Anschließend durchlaufen alle Anträge einen definierten Prozess bis zur Beschlussfassung.

Im System sollen alle relevanten Informationen zu einzelnen Anträgen wie Änderungsanträge, Protokolle der zugehörigen Ausschuss- und Parlamentssitzungen, Reden im Parlament, Berichte und Stellungnahmen von Experten sowie Einwürfe von Lobbyisten dokumentiert und mit den Anträgen verknüpft werden. Dabei ist auch auf Barrierefreiheit, gute Durchsuchbarkeit und Weiterverwendbarkeit zu achten.

Außerdem sollen in dem System alle offenen Abstimmungen des Parlaments und der Ausschüsse erfolgen und das Abstimmverhalten der Abgeordneten für jeden nachvollziehbar dokumentiert werden. Es ist zu erwarten, dass Online-Abstimmungen die Beteiligungsquote bei Abstimmungen erhöhen, da die Anwesenheit der Abgeordneten zu einem festen Zeitpunkt im Maximilianeum entfällt.

Bürgerbeteiligung im parlamentarischen Betrieb

Der gesamte gesetzgeberische Prozess wird durch das Umstellen auf den digitalen Parlamentarismus für die Einwohner nachvollziehbarer und begreifbarer werden. Damit wird es möglich, Menschen in den parlamentarischen Betrieb direkt einzubinden.

Das digitale Parlament wird den Menschen in Bayern ermöglichen, sich durch Änderungsanträge oder gar eigene Anträge in den parlamentarischen Betrieb einzubringen. Diese Anträge können nach dem Überwinden eines Unterstützerquorums durch Bürger oder Abgeordnete in den parlamentarischen Betrieb einfließen. Das stellt eine gute Ergänzung zum mühsamen und teuren Prozess aus Volksbegehren und Volksentscheid dar. Direkte Demokratie im 21. Jahrhundert ist digitale Demokratie.

Symbolfoto: Zeitfixierer– CC-BY-SA