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Muss das Stadttheater Augsburg zumachen? Und was sagen die Piraten dazu?

Foto: Felix König, Lizenz CC-BY 2.0

In den letzten Wochen nimmt die Diskussion um die Zukunft des Augsburger Stadttheaters an Lautstärke zu. Diese Auseinandersetzung steht allerdings beispielhaft für die Sinnkrise des Theaters und die Finanzkrise unserer Kommunen da. Eigentlich ist schon länger bekannt, dass sich die drittgrösste bayerische Stadt ein Theater in dieser Grössenordnung nicht leisten kann. Das wurde allerdings über Jahrzehnte hinweg verdrängt, mit der Folge, dass seit vielen Jahren nicht mehr wirklich in die Instandhaltung investiert wurde und das Gebäude nun eigentlich abgerissen werden müsste, weil es baufällig geworden ist. Der schöne Schein glamouröser Premieren wird hier also mit zunehmender Lebensgefahr bezahlt, vor allem für die Theatermitarbeiter, die sich in einem marode gewordenen Bauwerk aufhalten müssen.

Das Aufwachsignal für die Stadtgesellschaft kam von einem dafür (ohne Wettbewerb oder Ausschreibung) beauftragten Architekturbüro, das für den Umbau mit Nebenkosten ganze 235 Millionen Euro aufschrieb. Das entspricht etwa einem Viertel der jährlichen städtischen Einnahmen und damit einer Luftnummer. Ein Betrag dieser Grössenordnung ist von einer Kommune nicht aufzubringen, die es finanziell nicht einmal schafft, die Dächer städtischer Schulen konsequent regendicht zu halten oder Jugendzentren mit Mitteln jenseits von Licht und Heizung zu versorgen.

Konsequent wäre es, das zuzugeben und den Theaterbetrieb in etwas umzuwandeln, das ein Kosten-Nutzenverhältnis überhaupt in Sichtweite bringt. Nachdem allerdings Augsburg die einzige von der CSU regierte bayerische Grossstadt darstellt, ist ein solcher „Misserfolg“ keine Option. Wir dürfen daher eine weitere Scheinlösung erwarten, eine abgespeckte Umbauplanung wurde bereits angekündigt.

Allerdings muss ich, als Vertreter der Gegenwartskultur, an dieser Stelle direkte Fragen stellen. Wenn ich mich richtig erinnere, war ich zum letzten Mal in meiner Schulzeit im Stadttheater. Meine kulturelle Versorgung erhalte ich von Bildschirmen und gelegentlichen Besuchen von Orten mit hoher Lautstärke (alle diese Kulturformen florieren ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand). Und damit sehe ich mich als Teil einer Mehrheit. Wir kennen andererseits die Besucherzahlen unserer Theaterbetriebe und wissen, dass es sich hier um eine traditionell hoch angesehene Nischenkultur handelt. Nur: Warum genau soll eine kleine Grosstadt 200 Millionen für die Renovierung plus weitere 20 Millionen an jährlichen Betriebskostenzuschüssen ausgeben? Wie genau ist das begründet, in einer Stadt, die einen Migrantenanteil von rund 50 % und in einigen Quartieren eine offizielle Arbeitslosigkeit von 10 % aufweist?

Natürlich muss man unterscheiden zwischen „Theater als Kulturform“ (Kultur wie in „Videogames“), „Theater als städtischer Versorgungsbetrieb“ (so wie „Müllabfuhr“) und „Theater als steingewordenes Symbol einer gesellschaftlichen Identität“ (wie in „Bürgertum des 19. Jahrhunderts“), und diese unterschiedlichen Funktion einzeln bewerten und auf ihren öffentlichen Nutzen prüfen.

Mal ganz deutlich: Liebe Nischenkultur-Angehörige, ich brauche euer Theater nicht. Und die meisten Leute in meiner Stadt ebenfalls nicht. Ich schliesse aber nicht aus, dass die Kulturform Theater (einschliesslich Orchestermusik) Zukunft haben könnte. Aber das müsst ihr begründen. Beweisen. Dafür kämpfen. Und nicht hinter den Kulissen und unter den dicken bayerischen Filzschichten. Weil die öffentliche Akzeptanz für diese Nische damit völlig verspielt wäre. Ich bin also gespannt, wie ihr das machen wollt.

Und um auf die Eingangsfragen zurückzukommen (die in der Überschrift): Ja, das Stadttheater Augsburg muss zumachen. Weil die Stadt pleite ist, und nicht einmal der heimlich geplante Verkauf der Stadtwerke für die Finanzierung ausreichen würde. Wir wissen aber nicht, wie die Dinge sich entwickeln. Zumindest für die mehrjährige Bauzeit (vielleicht auch für immer) wird sich das Theater als Kulturform und Versorgungseinrichtung vom Bauwerk lösen und spannende Experimente wagen müssen. Viel Glück dabei.

Was die Piraten dazu sagen: Es gibt, wie anderswo auch, noch keine Parteitagsbeschlüsse zum Thema. Deswegen ist das, was hier steht, auch meine Position, als Vertreter einer kulturellen Mehrheit und als Landesbeauftragter der Piratenpartei für Kultur und Urheberrecht.

Hintergrundinfos zB auf a3kultur

Symbolbild: Felix Königcc-by

Hinweis: Dieser Kommentar wurde von Fritz Effenberger geschrieben und stellt nicht notwendigerweise die Meinung des ganzen Landesverbandes dar. Alle Mitglieder können Kommentare über das entsprechende Formular bei der SG Digitale Medien einreichen.

2 Kommentare zu “Muss das Stadttheater Augsburg zumachen? Und was sagen die Piraten dazu?

  1. Karin Berger-Fuchs

    Hallo Fritz, seit vielen Jahren gehe ich regelmaessig in das Stadttheater um mir vor allem Schauspiele anzusehen. (mit vielen anderen Augsburgern) und ich will es missen! So bemerke ich in den letzten Jahren , dass immer mehr junge Augsburger sich unter das Publikum mischen. Theater ist politisch ,regt an nachzudenken und in Gruppen danach zu diskutieren. Dies in maroden Raeumlichkeiten , ein Genuss ! Kinder freuen sich auf Weihnachtsvorführungen .( trotz Multimedia u.a) Warum? Gemeinsam schauen und verstehen und sich austauschen! Das ist rar und sollte auch erhalten werden.
    Ich empfehle Dir einen Besuch nach so langer Zeit im Augsburger Stadttheater um Dir “ die heilige Johanna der Schlachthöfe “ von Brecht anzusehen.
    So politisch und kritisch findest du keinen Dialog ausserhalb des Theaters. Goldland ist Kritik am Frühkapitalismus der Welser und zeigt uns den Zusammenhang von heute. Theater macht Spass und muss in der Mitte Augsburgs bleiben.
    Der Betrag zur Sanierung des großen Hauses ist aber nicht tragbar für die Bürger dieser Stadt und wir müssen uns etwas einfallen lassen. Ideenwettbewerbe von hiesigen Architekten müssen her! Davon viele und zusammen mit der Bürgerschaft umgesetzt werden. Das Theater ist schon immer für alle Bürger ! Vielleicht sollte man dies wieder mehr in den Fokus stellen.
    Einen schönen Tag noch Dir
    Karin

  2. Stefan Berchtold

    Lieber Fritz, als Musiker und als Pirat möchte ich Dir gerne auf Deinen Beitrag antworten:
    1. ich habe keine Ahnung, ob das Stadttheater Augsburg als Gebäude erhalteswert ist oder nicht. Aber darum geht es auch gar nicht. Die Ansätze, die Du aufwirfst “ ich brauche Euer Theater nicht, weil ich nicht hingehe“ oder „wir haben für x und für y kein Geld, aber ein städtisches Theater sollen z millionen ausgeben“ liegen erstmal auf der Hand, wirken auf mich aber fast schon populitisch. Die Frage, die im Raum steht ist doch, ob und wieviel uns Kultur und Künstler wert sind. Die Vorstellung, dass das Geld, das man für die sogenannte „Hoch“-Kultur nicht ausgibt, dann in der sub-,“Mehrheits(?) -oder Stadteilkultur landet, ist ja völlig aus der Luft gegriffen. Die einseitige Mehrfachsubventionierung bestimmter Genres wie z.B. der Oper ist ärgerlich, aber vor allem deshalb, weil sich darin eine Geringschätzung anderer Kulturformen ausdrückt. Wir sollten uns dafür engagiern, dass Kunst und Kultur einen breiten und bunten Platz in unsere Gesellschaft erhält, dass dafür Mittel bereitgestellt werden, das Künstler und Musiker als Berufsstand ihr Existenzrecht ber-und erhalten und nicht einzelne Genres gegeneinander ausspielen, nochdazu mit „Mehrheits- „gegen “ Minderheitenkultur“ . Deinen Gedanken, dass ein stätd. theater auch jenseits der riesgen „Häuser“ existieren und spanned arbeiten kann, den teile ich auf jeden Fall. Ob das allerdings dauerhaft „billiger“ ist, bin ich mir nicht so sicher.
    Also, nix für ungut, wie wir in Oberbayern sagen,
    Stefan Berchtold
    Deinen Gedanken, daß städtisches Theater auch außerhalb riesiger Häuser sich zeigen kann, teile ich allerdings absolut!

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